Ein Schrittchen statt Souveränitätsfonds: STEP – Strategic Technologies for Europe Platform

Am 20. Juni 2023 hat die EU Kommission einen Vorschlag für eine „Plattform für strategische Technologien für Europa“ (Strategic Technologies for Europe Platform – STEP) vorgelegt. Der Vorschlag ist Teil der ebenfalls am 20.6. vorgestellten Überarbeitung des Mehrjährigen Finanzrahmens. Im REGI Ausschuss erläuterte Kommissarin Elisa Ferreira in dieser Woche diesen Vorschlag.

Die Debatte wird in den kommenden Monaten sicher intensiv geführt werden. Martina Michels‘ erste Einschätzung war allerdings wenig begeistert: Der großen Vision für einen Europäischen Souveränitätsfonds kommt die EU mit STEP höchstens ein STEPchen, ein Schrittchen, weiter. Die Mittelausstattung ist zu belächeln, das Prinzip linke Tasche – rechte Tasche kommt einmal mehr zur Anwendung. Bezüglich der EU-Strukturfonds (EFRE, KF, JTF, ESF+) scheint die Kommission die Mitgliedstaaten und Regionen mit bevorzugter Vor- und Ko-Finanzierung zur erneuten Umprogrammierung ihrer soeben fertiggestellten Förderpläne drängen zu wollen hin zu Investitionen sauberen Technologien – die nicht alle wirklich sauber und fossil-frei sind – , in sog. Deep Tech und Biotechnologien. Innovative Investitionen sind natürlich wichtig, aber längst nicht das einzige, was in vielen Regionen an materieller, industrieller und sozialer Infrastruktur fehlt. Zusätzlichen Mitteln für den Verteidigungsfonds und durch das Souveränitätssiegel engerer Verknüpfung dieses Fonds mit Fördertöpfen für Forschung, Gesundheit, Digitalisierung und Innovation stehen wir natürlich skeptisch gegenüber.

Recht kritisch äußert sich z. B. auch die europäische Koalition der großen Umweltorganisationen CAN (Climate Action Network) Europe: https://caneurope.org/the-step-proposal-recovery-funds/ .

Bei STEP handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument für saubere Technologien, Deep Tech und Biotechnologien.  „Deep Tech“ meint: Mikroelektronik, Quantencomputing, 5G, künstliche Intelligenz und fortgeschrittene Konnektivität unterstützen. „Advanced connectivity“ meint technologische Innovationen und Forschung, die darauf abzielen, die Produktion von Waren und Dienstleistungen zu verbessern und die ganze Welt über das Internet zu verbinden.  z. B. drahtlose 5G/6G-Netzwerke, Drohnen und urbane Luftmobilitätskonnektivität, autonome Fahrzeugsystemen, Cybersicherheit, KI und Smart-Grid-Technologie, die effektive Internetkonnektivität global voranbringen können. „Saubere Technologien“ meint im Sinne dieses neuen Gesetzesentwurfs mehr als die Prioritätenliste des Gesetzes für die Förderung der „Netto-Null-Emissionen“ (Net Zero Industry Act), nämlich erneuerbare Energien im weitesten Sinne – Stromspeicherung, alternative Kraftstoffe, CO2-Abscheidung, Wasserstoff, aber auch Wasserreinigung oder Entsalzung – können durch STEP gefördert werden. Schließlich sollen auch Biotechnologien wie Biomoleküle, pharmazeutische Produkte und medizinische Technologien förderfähig sein.

Während das Europaparlament mehrfach gefordert hat, für neue Aufgaben auch frisches Geld bereitzustellen, wandten sich die Mitgliedstaaten gegen eine substanzielle Finanzierung. Doch nicht nur die spielen gern das Spiel linke Tasche – rechte Tasche: Kommissionspräsidentin von der Leyen sprach gar davon, dass die neuen Technologien Projekte hätten, aber kein Geld, die Strukturfonds das Geld, aber keine Technologien, was natürlich grober Unfug ist.  Der großen Vision für einen Europäischen Souveränitätsfonds kommt die EU damit höchstens ein Schrittchen, weiter.

Die Kommission versucht immerhin, Kommission zusätzliche Mittel in Höhe von 10 Milliarden Euro für aktuell in Überarbeitung befindlichen MFR 2021-2027 zu erhalten: + 3 Milliarden Euro für InvestEU; + 0,5 Milliarden für Horizont Europa; + 5 Milliarden für den Innovationsfonds; + 1,5 Milliarden für den Europäischen Verteidigungsfonds. Im Prinzip sollen aber einmal mehr den Mitgliedstaaten überlassen werden, Mittel aus bestehenden Programmen umzuwidmen: aus InvestEU, dem Innovationsfonds, Horizont Europa, dem Europäischen Verteidigungsfonds, den Strukturfonds, der ARF, den Programmen Digitales Europa und EU4Health. Angeblich könnten so Neuinvestitionen i. H. v. 160 Milliarden Euro erreicht werden.

Ein „Souveränitätssiegel“ soll Projekten den Zugang zu verschiedenen Finanzierungsarten erleichtern. Projekte, die die STEP-Ziele erfüllen, aber bislang keine Förderung aus einem Fördertopf erhalten konnten, können dieses Siegel tragen und Unterstützung im Rahmen eines anderen Programms beantragen. Ein „Souveränitätsportal“ soll als zentrale Anlaufstelle für Projektleiter und Unternehmen eingerichtet werden und Projekten und Unternehmen helfen, Informationen zu den verschiedenen in STEP verfügbaren Mitteln zu finden. Ob dieses Fund-Hopping sinnvoll ist und im richtigen Sinne der Idee von Kompatibilität der Investitionsinstrumente, müsste noch genauer geprüft werden.

Spezifisch betreffs der Änderungen an den Strukturfonds ist zu bemerken, dass aus dem EFRE, KF und JTF bis zu 30% Vorfianzierungen geleistet werden können und aus diesen sowie aus dem ESF+ bis zu 100% EU-Kofinanzierung. Das soll auch für andere Unternehmen als KMU gelten, sofern sich in ärmeren und Übergangsregionen befinden oder sogar in besser entwickelten Regionen in Mitgliedstaaten, die als ganze unter dem EU-Durchschnitt liegen (gemessen am BIP).

Die Mitgliedstaaten/Regionen sollen außerdem eine Fristverlängerung von einem Jahr für die Abrechnung der Strukturfondsprogramme 2014-2020 erhalten (das kürzlich debattierte „n+3+1“). Angesichts der zunehmenden Zahl extremer Klimaereignisse und Naturkatastrophen wird die Reserve für strategische Nothilfe um 2,5 Milliarden Euro aufgestockt, damit der Europäische Solidaritätsfonds über genügend Mittel verfügt. Siehe auch Kommissarin Ferreira  auf Twitter.