Kritische Nachfragen im Regionalausschuss zum neuen Vorschlag für den mittelfristigen EU-Haushaltsrahmen (MFR)

„Die Kürzungen bei der Regionalförderung, bei Kultur und Bildung im neuen sind nicht hinnehmbar. Der neue MFR-Vorschlag der Kommission fällt in diesen Kernbereichen des EU-Haushalts noch hinter den ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom Mai 2018 zurück, und schon der enthielt massive Kürzungen“, ärgerte sich Martina Michels.

Im Ausschuss für regionale Entwicklung (REGI) vertrat sie am Montag die GUE/NGL-Fraktion in der Debatte zum Kommissionsvorschlag über der vergangenen Woche vorgestellten neuen MFR-Entwurf, den EU-Wiederaufbauplan und die Auswirkungen auf die künftige Kohäsionspolitik. EU-Kommissarin Elisa Ferreira, die zu dieser Debatte eingeladen war, unterstrich die zentrale Rolle, die die Kohäsionspolitik bei der Reaktion der EU auf die COVID-19-Krise gespielt hat. Sie sagte, die Vorschläge zur wirtschaftlichen Erholung im Rahmen der „EU der nächsten Generation“ würden eine starke „Kohäsions-DNA“ haben.

Die Regionalpolitiker*innen jedoch bestanden darauf, EU-Haushalt und Sonderfonds für die Krisenbewältigung als verschiedene, wenn auch kompatible Paar Schuhe zu betrachten:

Der Wiederaufbaufonds, zusätzlich zum MFR, sei ein qualitativ neuer Schritt in die richtige Richtung sein, nicht genug, aber ein Anfang. „Doch Wiederaufbaumittel sollen eben Krisenfolgen beheben helfen, sind ist kein Ersatz, auch kein Teilersatz für die eigentlichen, notwendigen und erfolgreichen Förderpolitiken der EU. Das heißt mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen: Das EP muss weiterhin mehr Ressourcen für die gut etablierten Kohäsionsinstrumente fordern. Die Kohäsionspolitik muss als langfristig angelegte Investitionspolitik mit einer Mittelausstattung von mindestens einem Drittel des nächsten MFR fortbestehen und durch den künftigen EU-Aufbauplan unterstützt werden, betonte Michels und ergänzte: „Was ist denn, wenn sich der Rat nicht auf neue Eigenmittel einläßt? Dann gibt es die Mittel aus REACT-EU und Co. entweder gar nicht, oder die Schulden müssen aus den EU-Haushalt getilgt werden.“ Möglicherweise stünde man dann mit noch weniger da, als 2018 angedacht.

Wie auch einige andere Abgeordnete hinterfragte sie die Verteilungsmethode für die Mittel im Rahmen von REACT-EU und die Konditionalitäten, die durch die Verknüpfung mit dem Europäischen Semester entstünden. Unklare Aspekte gebe es auch in Bezug auf Mitentscheidungs- und Kontrollmechanismen des EP, den Zeitplan und die Rolle, die die Regionen bei Entscheidungen über die Wiederaufbaumittel erhalten würden.  Die Beachtung der sozialen Dimension und der Umweltziele bei den zu finanzierenden Projekten müsse in jedem Fall beachtet werden.

Die große Mehrheit der Redner begrüßte die aufgestockte Finanzierung für den „Just Transition Fund“. Martina Michels hinterfragte bei aller Zustimmung jedoch auch hier die Schuldenfinanzierung und zeitliche Begrenzung des größten Teils der zusätzlichen Mittel. Die Verhandlungen über den innerhalb des Ausschusses über diesen Gesetzesentwurf beginnen in dieser Woche.

 

Hintergrund

Am 27. Mai 2020 legte die Europäische Kommission ihre Vorschläge für den EU-Wiederaufbauplan und einen neuen langfristigen Haushalt (MFR 2021-2027) vor. Die REACT-EU-Initiative, die die im Rahmen der Coronavirus Response Investment Initiative (CRII) und der Coronavirus Response Investment Initiative Plus umgesetzten Krisenreaktionsmaßnahmen fortsetzt und erweitert, soll über den laufenden Programmplanungszeitraum hinaus (2020-2022) zusätzliche Mittel in Höhe von 55 Mrd. EUR bereitstellen. Darüber hinaus soll eine neue Fazilität für Wiederaufbau und Widerstandsfähigkeit Reformen und Investitionen der Mitgliedstaaten finanziell unterstützen, wenn sie nationale Wiederaufbaupläne vorlegen, die sich an den länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters orientieren (Zuschüsse in Höhe von 310 Mrd. EUR und Darlehen in Höhe von 250 Mrd. EUR).

Für den nächsten MFR schlug die Kommission die Aufstockung des Fonds für gerechten Übergang auf 10 Mrd. € (gegenüber den ursprünglichen 7,5 Mrd. EUR) im MFR vor plus mögliche zusätzliche Mittel von 30Mrd. € aus dem Wiederaufbauinstrument „Next Generation Europe“.

 

Das EU-Gesamtpaket zum Haushalt und Wiederaufbau besteht aus:

  • dem MFR 2021-202: 1.100Mrd. €, finanziert aus normalen Eigenmitteln und evtl. neuen
  • dem Europäischen Wiederaufbauinstrument „Next Generation Europe“ (NGE): 750 Mrd. € (500Mrd. € Zuschüsse und Sicherheiten; + 250Mrd. € Darlehen), finanziert mit von der Kommission aufgenommenen Schulden, die aus dem EU-Haushalt, mithilfe neu zu schaffender Eigenmittel ab 2028 zurückzuzahlen sind.
  • ESM + EIB + SURE („Eurogruppenbeschluß“), finanziert außerhalb des EU-Haushalts

Einige Zahlen des neuen MFR-Vorschlags 2021-2027 im Vergleich:

  • 1.100Mrd. € (plus temporär 755,2 Mrd. € aus NGE), das bedeutet:
  • + 5,2Mrd. € verglichen mit dem Vorschlag von Ratspräsident Michel (1095Mrd. €) vom Februar 2020.
  • -34,6 Mrd. € unter dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag (1.065,4Mrd.  €) vom Mai 2018 (+715,4Mrd. € inkl. NGE).
  • -224.1 Mrd. € verglichen mit der Position der EP (1324,1Mrd. €) vom November 2018 (+525,9Mrd. € inkl. NGE).
  • dauerhafte Anhebung der Eigenmittelobergrenze auf 1,4% (Zahlungsermächtigungen) bzw. 1,46% (Verpflichtungsermächtigungen) des EU BNE (aktuell gelten 1,2% bzw. 1,26% ).
  • -7,5Mrd. € für Kohäsionspolitik (323,2Mrd.  €) im Vergleich zum Mai 2018 (330,6Mrd. €) und – 54,9Mrd. € im Vergleich zur EP-Forderung (378,1Mrd. €). Aufgestockt durch REACT-EU (50Mrd.  €) bis 2024. Kürzungen gäbe es im Vergleich zum Mai 2018 beim EFRE, ESF+, Erasmus+, Kreatives Europa, dem Solidaritätskorps; etwas mehr für den ELER, der aber 2018 massiv unter den jetzigen Stand gekürzt wurde. 

Weiterlesen:

Video der gesamten Ausschussdebatte vom 8. Juni 2020

PM des REGI-Ausschusses zur Aussprache mit der Kommissarin

Briefing der Kommission zum neuen EU-Haushalt für den Wiederaufbau: Fragen und Antworten zu REACT-EU, zur Kohäsionspolitik nach 2020 und zum Europäischen Sozialfonds+

Positionspapier der LINKEN. im EP zum „Just Transition Funds“

Vorschaubild des YouTube-Videos https://www.youtube.com/watch?v=CiybHd0oIgA
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