Neuer Info-Flyer von Sabine Lösing

Die Anfänge der EU-Militarisierung

Die »Geburtsstunde« der Militarisierung EUropas schlug spätestens im Jahr 1999, als beschlossen wurde eine EU-Eingreiftruppe für weltweite Militärinterventionen mit 60.000 Soldaten aufzubauen. Der erste von bislang 34 Einsätzen im Rahmen der sogenannten »Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik« (GSVP) erfolgte bereits 2003.

Als nächster wichtiger Schritt war ursprünglich der 2004 unterzeichnete EU-Verfassungsvertrag gedacht: Er enthielt u.a. ein breites militärisches Aufgabenspektrum sowie die rechtliche Verankerung von EU-Kampftruppen (»Battlegroups«), der EU-Verteidigungsagentur sowie der »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit« (»PESCO«). Gleichzeitig wurden weder dem EU-Parlament noch dem EU-Gerichtshof substanzielle Mitspracherechte eingeräumt. Alle Fragen von Krieg und Frieden sind in der EU Sache der Staats- und Regierungschefs – Gewaltenteilung: Fehlanzeige!

Zunächst scheiterte der Verfassungsvertrag allerdings 2005 bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden (später auch einmal in Irland). Nach nur kosmetischen Änderungen trat er aber schlussendlich dennoch am 1. Dezember 2009 als »Vertrag von Lissabon« in Kraft.

Als weiteres Hindernis erwies sich dann aber zunächst noch Großbritannien, das nahezu alle Militarisierungsinitiativen blockierte. Mit dem Referendum am 23. Juni 2016, bei dem sich die britische Bevölkerung mehrheitlich für einen EU-Austritt entschied, hatte sich aber auch dies erledigt. Die Gelegenheit, dem EU-Militarisierungsprozess zu neuer Dynamik zu verhelfen, war günstig – und sie wurde zielstrebig ergriffen!

EUropas Globalstrategie

Nur Tage nach dem Brexit-Referendum wurde Ende 2016 mit der EU-Globalstrategie (EUGS) ein neues Referenzdokument angenommen. Es nennt als „Interessen“ ein „offenes und faires Wirtschaftssystem“ und den „Zugang zu Ressourcen“ sowie den „Schutz“ von Handelswegen. Als potenzielle Einsatzgebiete werden östlich die Länder bis „Zentralasien“ und südlich alle Staaten bis „Zentralafrika“ benannt. Gleichzeitig gelte es die Seewege im „Indischen Ozean“ ebenso zu sichern, wie „am Golf von Guinea bis hin zum Südchinesischen Meer und der Straße von Malakka.“

Vor allem geht es der EUGS aber um den Ausbau der militärischen Schlagkraft: „Die Mitgliedstaaten [benötigen] bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können. Dies bedeutet, dass das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss.“

PESCO: EU-Rüstungsunion

Am 11. Dezember 2017 aktivierten die Staats- und Regierungschefs der EU die »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit « (engl. »PESCO«). Da innerhalb von PESCO abseits von Militäreinsätzen künftig nahezu jedes erdenkliche EU-Militärprojekt betrieben werden kann, schlossen sich am Ende trotz weit verbreiteter Skepsis 25 EU-Mitgliedsländer an (außen vor sind nur noch Dänemark, Malta und Großbritannien).

Allerdings hat dies buchstäblich einen Preis, der darin besteht, dass sich alle PESCO-Staaten auf die Einhaltung von 20 Kriterien verpflichten mussten. Dazu gehört u.a. die Zusage, sich „an mindestens einem Projekt“ von militärisch-strategischer Bedeutung zu beteiligen. Weiter enthalten ist etwa die Verpflichtung, „einen wesentlichen Beitrag zu den EU-Gefechtsverbänden zu leisten“ und „im Rahmen ihrer Mittel und Fähigkeiten […] zu GSVP-Operationen […] substanzielle Unterstützung zu leisten“. Außerdem gibt es auch noch die Festlegung auf eine „regelmäßige reale Aufstockung der Verteidigungshaushalte.“ Dem Wortlaut nach ist dies wohl als eine jährliche Anhebung über der Inflationsrate zu verstehen – eine Reduzierung des Rüstungshaushaltes wird damit (abseits einer schweren Wirtschaftskrise) per PESCO-Kriterium unmöglich gemacht!

Der Knackpunkt an PESCO liegt darin, dass es nun erstmals möglich ist, rüstungsunwillige Staaten zu sanktionieren. Der Weg hierzu wird über ein letztes Kriterium frei, das die Staaten zur „Einführung einer regelmäßigen Überprüfung dieser Verpflichtungen“ verdonnert. Sollte diese Überprüfung zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Staat nicht ausreichend mitgerüstet hat, ist es dann – zumindest theoretisch – möglich, ihn mit einer qualifizierten Mehrheit (65% der Bevölkerung, 55% der Staaten) aus der PESCO hinauszuwerfen!

März und November 2018 wurden die ersten 34 PESCO-Projekte beschlossen. Darin enthalten sind auch bereits große Rüstungsprojekte wie etwa die Eurodrohne – in den Startlöchern stehen außerdem ein künftiger europäischer Kampfpanzer und ein Kampfflugzeug. PESCO-Projekte sollen künftig bevorzugt aus dem geplanten EU-Verteidigungsfonds finanziert werden!

Milliarden für die Rüstung

Nach Daten der EU-Verteidigungsagentur stiegen – ganz entgegen dem stets erweckten Eindruck – die Militärhaushalte in den EU-Staaten von 193 Mrd. Euro (2005) auf 214 Mrd. Euro (2017). Deutschland ist daran ganz wesentlich beteiligt, denn hierzulande explodierte das Militärbudget regelrecht von 24,3 Mrd. (2000) auf 43,2 Mrd. Euro (2019). Geplant ist bis 2024 sogar eine Erhöhung auf satte 60 Mrd. Euro!

Zusätzlich dazu sollen im nächsten EU-Haushalt von 2021 bis 2027 erstmals Rüstungsgelder aus dem EU-Haushalt bereitgestellt werden. Und das, obwohl Artikel 41(2) des EU-Vertrages es – eigentlich – verbietet, Militärausgaben aus dem EU-Budget zu bezahlen. Mit verschiedenen Tricks, u.a. indem behauptet wird, die Rüstungsgelder dienten primär der Wettbewerbsförderung, wird deshalb versucht, dieses Verbot zu umgehen. Allerdings kam u.a. ein Gutachten im Auftrag der Linksfraktion GUE/NGL im EU-Parlament zu dem Ergebnis, dass der Fonds auch durch diesen Kniff illegal bleibt.

Dennoch umfasst der Haushaltsvorschlag der Kommission für 2021 bis 2027 Militärausgaben von insgesamt bis zu 65,6 Mrd. Euro: 13 Mrd. Euro sind über den »EU-Verteidigungsfonds« (EVF) für die Erforschung und Entwicklung von Rüstungsgütern vorgesehen (über nationale Hebel ergeben sich bis zu 48,6 Mrd.). Weitere 6,5 Mrd. sollen in die »Militärische Mobilität«, also Infrastrukturmaßnahmen zur schnellen Verlegung von Truppen insbesondere nach Osteuropa fließen. Und schließlich ist die völlig irreführend benannte »Friedensfazilität « zwar kein offizieller Teil des Haushalts, ihre 10,5 Mrd. sind aber u.a. dafür vorgesehen, große Teile künftiger EU-Militäreinsätze zu finanzieren.

Dies – und das seit Juni 2017 existierende Hauptquartier (MPCC) – soll die Union in die Lage versetzen, künftig »besser« Kriege führen zu können!

 

 

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Europabüro Sabine Lösing

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