Peru: Kein Freihandel ohne nachhaltige Entwicklung
Please find English version below
„Die peruanische Regierung sollte die Bedingungen für nachhaltige Entwicklung innerhalb des Freihandelsabkommens mit der EU erfüllen,“ so Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Delegation DIE LINKE. und Koordinator der EP-Linksfraktion GUE/NGL im Ausschuss für internationalen Handel (INTA), nach seiner Rückkehr von der Delegationsreise des Ausschusses nach Peru und Kolumbien. Im Rahmen der Reise sollte die bisherige Umsetzung des Mehrparteien-Freihandelsabkommens zwischen der EU, Kolumbien und Peru überprüft werden. Nach einem umfassenden Aufenthalt in Kolumbien setzte die Delegation ihre Reise nach Lima fort und traf sich mit dem Präsidenten Perus, Pedro Pablo Kuczynski, sowie mit anderen Regierungsvertreter*innen, mit Mitgliedern des Parlaments, mit der Zivilgesellschaft und mit Geschäftskreisen in Peru.
„Entgegen der positiven Charakterisierung der Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf die wirtschaftliche Entwicklung und Perspektiven der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen durch die Regierung und die Vertreter der Großindustrie in Peru, konnte ich als Mitglied der EU-Parlamentsdelegation beobachten, dass Peru wie auch Kolumbien die Reformen nicht umsetzen, zu denen sie sich im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet hatten. Dies war jedoch die Bedingung für die Zustimmung des Europaparlaments zum Freihandelsabkommens mit der EU.“
„Die Regierung von Peru ist offensichtlich nicht dazu bereit, endlich die vereinbarte Beratungsgruppe aus Vertreter*innen der inländischen Zivilgesellschaft formell einzuberufen, wie dies im entsprechenden Kapitel des Abkommens zu Handel und nachhaltiger Entwicklung (TSD) vorgesehen ist. Darüber hinaus unterstreichen die Meinungsverschiedenheiten zum Stand der Umsetzung der Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und anderer international gebundener Verpflichtungen seitens der Regierung wie auch seitens der Vertreter*innen der Zivilgesellschaft die Notwendigkeit, die Funktionsweise der nationalen und regionalen Räte und Ausschüsse entsprechend der Anwendungspflichten aus der Roadmap zu überdenken.“
„Die Bestandteile für den Umgang mit Beschäftigungs- und Sozialaufgaben, Umwelt- und Menschenrechten sowie die Verbesserung des Schutzes der Rechte der Vereinten Nationen für die indigene Bevölkerung wurden vom Europäischen Parlament als Voraussetzung für die Ratifizierung des Freihandelsabkommens angenommen. An dieser Stelle ist es bemerkenswert, dass der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der die EU-Beratergruppe bildet, in der letzten Woche darauf hinwies, dass die TSD-Kapitel ein wesentliches Element aller EU-Freihandelsabkommen sind.“
Helmut Scholz betonte in diesem Zusammenhang: „Das verständliche Ziel Perus, Mitgliedschaft in der OECD zu erhalten, kann mit diesem Mangel an Einhaltung selbst minimaler sozialer und Umweltstandards nicht erreicht werden. Was die weitere Umsetzung aller Kapitel des Freihandelsabkommens mit der EU anbelangt, erwarte ich mindestens die Einrichtung einer unabhängigen, von der Regierung einberufenen und von der EU unterstützten nationalen zivilgesellschaftlichen Beratungsgruppe, da die nationalen Dialogstrukturen nicht funktionieren und daher eine echte Bewertung gemäß der Freihandels-Schlussfolgerung noch nicht gegeben ist.“
Hintergrund
Nur sechs Prozent der Beschäftigten im privaten Sektor und 16 Prozent im öffentlichen Sektor sind in Gewerkschaften registriert, während 72 Prozent der Arbeitnehmer*innen in Peru noch in informellen Arbeitsverhältnissen um ihr tägliches Überleben kämpfen – diese Zahl hat sich im letzten Jahr noch weiter verschlechtert.
Die Zahl der Arbeitsaufsichtsbeamten bleibt trotz der begonnenen Veränderungen äußerst gering, verglichen mit dem Bedarf. Nur 22 Prozent aller Arbeitsplätze werden durch solche Arbeitsaufsichtsbehörden kontrolliert. Es ist mehr als nur bedauerlich, dass es fünf Jahre nach Inkrafttreten des EU-Peru-Abkommens in mindestens elf der 25 Regionen des Landes – selbst dort, wo traditionelle und nichttraditionelle Waren für den Export in die EU hergestellt werden – kein Arbeitsaufsichtssystem gibt.
Mit dem Freihandelsabkommen hat Peru die Chance, mehr Waren in die EU zu exportieren und besitzt nun einen viel breiteren Zugang zum Binnenmarkt, doch ist die Exportstruktur immer noch hauptsächlich auf den Bergbau-, Energie- und den Agrarsektor ausgerichtet. Da die enorme Asymmetrie der beiden Volkswirtschaften Peru traditionell in den Export von Primärgütern zwingt und einsperrt, fehlt eine überzeugende Umstrukturierung hin zur Wertschöpfung für einen Großteil der Rohstoffindustrien. Fragen im Wirtschaftsministerium über eine Strategie oder einen Plan zur Diversifizierung der nationalen Produktion blieben unbeantwortet.
Die Ölförderung und der Bergbau haben sich auf Kosten des Lebens der einheimischen Bevölkerung so sehr ausgeweitet, dass sogar die Wasserversorgung von Lima gefährdet ist. Der native Amazonaswald wird auch für die Expansion von Palmölplantagen zerstört, mit Investitionen von nationalen Gruppen wie der Finanzgruppe Romero, aber auch mit Investitionen durch indonesische und malaysische Unternehmen, die bereits zur Zerstörung ihrer eigenen Länder beigetragen haben.
——————————————————————————————————————–
Peru fails to meet sustainable development obligations
The government of Peru is yet to comply with its commitments to sustainable development, part of the Free Trade Agreement with the EU that went into force five years ago, GUE/NGL MEP Helmut Scholz concluded on return from a delegation to the country last week.
The German MEP travelled to Peru with members of the Committee on International Trade (INTA) of the European Parliament where he met with President Kuczynski, government representatives and Members of Parliament as well as civil society and business leaders. Scholz commented:
“Contrary to the positive evaluation of the FTA by the Peruvian government and representatives of big businesses in relation to economic development and commercial relations, all members of the parliamentary delegation could see that Peru has failed in its commitments to sustainable development.”
“It was clear that the Government of Peru did not want to create a local consultative body as required in the sustainable development clause of the agreement. The contrasting views between government and civil society on how far Peru has gone in applying ILO standards and other international obligations show the need to reconsider the functioning of national and regional councils and committees.”
“Improvements related to human rights, employment, social and environmental standards as well as protection of the rights of indigenous people were all part of a road map approved by the European Parliament as precondition for the ratification of the Agreement.”
“The European Economic and Social Committee, a consultative body of the EU, affirmed just days ago that the clause on sustainable development is an essential part of EU FTAs,” Scholz added.
Only six percent of Peruvian workers in the private sector and 16 percent in the public sector are registered with trade unions, while 72 percent percent of all workers in the country take part in the informal economy, with numbers worsening last year. MEPs noted that five years into the FTA, in at least 11 of the 25 regions of the country, there was no established labour inspection system before goods are exported to the EU.
The majority of goods benefiting from the EU FTA come from extractive industries and agriculture with little to no exports of manufactured goods. Questions to the Ministry of Economy about a strategy or plan for diversification of national production remained unanswered.
Concerns were also raised about the impact of oil exploration and mining on indigenous communities and on water supply to the capital Lima. Palm oil plantations by big businesses such as the Romero group and companies from Indonesia and Malaysia have destroyed several hectares of the Amazon forest.
“It is understandable that Peru wants to join the OECD but this cannot happen until it meets minimum environmental and social standards for its people. As for the implementation of the FTA, I expect that the government takes steps to establish a local advisory group with support from the EU as the existing national dialogue structures are not functioning,” Scholz concluded.
GUE/NGL Press Contact: Ben Leung
STB +33 3881 72949| BXL +32 228 32299
mobile +32 470 880 965
benjamin.leung@europarl.europa.eu