Martinas Woche 43_2017
Strasbourg – Berlin – Jerusalem: Whistleblowerschutz – Ratsgipfel – Haushalt und Regionen – eprivacy-VO – Metoo – Aufbruch nach Israel
Martinas Woche 43_2017
Eine fette Plenumswoche mit interessanten Einzelabstimmungen (Whistleblowerschutz, eprivacy-VO) und einer enttäuschenden Debatte über die Ergebnisse der letzten Ratssitzung am 19./20. Oktober liegt hinter Martina. Am Freitag sprach sie in Berlin mit den Veranstaltern von „Soul of Europe“ von der Stiftung Zukunft Berlin über die permanenten Begegnungen, die seit der EU-Osterweiterungen stattfinden und den Beitrag der Städte in europäischen Integrationsdebatten im Fokus haben. Vor ihr liegt eine Reise nach Israel.
Whistleblowerschutz – Parlament macht Druck
Am Montag wurde der Initiativbericht des Parlaments nochmals vorgestellt und am Dienstag beschlossen. Die Kommission wurde aufgefordert, sich in diesem Jahr noch zu bewegen und endlich euroweite Standards für den Schutz von Whistleblowern in Banken, Unternehmen vorzuschlagen. Martina Michels hatte sich in der Stellungnahme des Kulturausschusses besonders mit der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten beschäftigt, die verbindlichen Quellenschutz brauchen, damit Presse- und Meinungsfreiheit tatsächlich garantiert wird. Denn wir müssen nicht immer nur Richtung Türkei schauen, um eklatante Verletzungen der Medienfreiheit zu konstatieren. Es sind genügend Missstände innerhalb der EU-Mitgliedstaaten endlich durch gute gesetzliche Regelungen aus dem Weg zu räumen. In einer Pressemeldung hat Martina die Komplexität der benötigten Schutzmechanismen beschrieben.
Unbefriedigend: Auswertung des Ratsgipfels vom 19./20. Oktober 2017
Dienstag vormittag stand die key debate auf der Tagesordnung. Entscheidende Themen der Ratssitzung kamen damit nochmals in den öffentlichen Fokus: die Reform der Asylpolitik, die geplante Militär- und Verteidigungsunion, der Stand der Brexitverhandlungen und einmal mehr das Verhältnis zur Türkei. Unsere Fraktionsvorsitzende, Gabi Zimmer, hat in ihrer Erwiderung das ganze Arsenal undemokratischer Methoden der Gesetzgebung in der EU angesprochen, die Arbeitsweise der unlegitimierten Eurogruppe, die Verweigerung von Debatten, wo sie dringend nötig sind, wie in einer ausbleibenden menschenrechtlich vertretbaren Flüchtlingspolitik. Zuerst müsste die Zusammenarbeit mit Libyen beendet werden. Weiterhin ging es um die Fundierung des Vorschlages einer soziale Säule der EU. die bis heute offen geblieben ist. Einerseits werden Diskussionen gar nicht erst geführt, andererseits gleich wieder ausgesetzt oder durch Ratsentscheidungen „beendet“. Damit ist die mangelnde Demokratie Teil des großen Problems einer Eurokrise auf mehreren Ebenen. Letztlich ist es der falsche Weg, die Herausforderungen von Migration bis Klima irgendwo verantwortungslos liegen zu lassen, aber tatsächlich eine Aufrüstung neben der Abriegelung des Kontinents zu betreiben. Dazu haben sowohl Sabine Lösing, die den europäischen Rüstungshaushalt im rechtsfreien Raum sieht, als auch Cornelia Ernst u. a. im Zusammenhang mit der Einführung eines Einreise- und Ausreisesystems (ESS) nochmals dezidiert Stellung genommen ebenfalls Stellung genommen.
Strasbourger Lichtblicke I: eprivacy Verordnung abgestimmt
Man möchte ausrufen: Bewegt euch, bevor es zu spät ist, es geht gerade um das, was vom Datenschutz in Europa übrig bleiben könnte. Etwas verspätet sprang eine wichtige Kampagne an, die die eprivacy-Verordnung, die in dieser Woche zur Abstimmung im Plenum stand, unterstützen sollte. Die meisten Angeordneten bekamen die Mails, die im typischen „clicktivism“-Modus von den einschlägigen Kampagnenwebsites abgesetzt werden konnten, erst nach der Abstimmung am Donnerstag. In diesem Fall war es erst einmal egal, die Abstimmung verlief erfreulich und das Verhandlungsmandat des Parlaments für den kommenden Trilog ist entsprechend stark. Doch der Bericht selbst zeigt, dass die Schlachten nicht gewonnen, die Weichen nicht gestellt sind und was die Daten- und Werbeindustrie alles unternehmen wird, um den fast schon gläsernen Menschen gänzlich zu durchleuchten.
Straßburger Lichtblicke II: Mittagspause mit dem Shantychor Reriker Heulbojen
Es wurde „Jawoll, Herr Kapitän!“ gegeben und Martina erwies den singenden Seebären die Ehre und erschien zum Mittagsständchen des Shantychores.
Straßburger Lichtblicke III: Fraktion unterstützt die #MeToo Kampagne
Das Sexualstrafrecht in den Mitgliedsländern und dessen Durchsetzung ist eine Baustelle. Ein gesellschaftliches Klima zu entwickeln, in dem verbale und gewalttätige sexuelle Übergriffe auf Frauen (und Männer) nicht mehr verschwiegener Alltag sind und ein ums andere Mal zum Kavaliersdelikt verniedlicht werden, ist eine andere, eine weitergehende Aufgabe. Sie verlangt Bildungs- und Diskussionsprozesse, für die wir alle Verantwortung haben. Schutz vor Gewalt gegen Frauen verlangt überdies mehr Schutzräume, soziale und psychosoziale Betreuung. Die Istanbul-Konvention ist in vielen Mitgliedsländern nur unzureichend umgesetzt. Die EU muss hier mehr Druck machen, denn das gesellschaftliche Rollback, getrieben von Maskulinisten und Patriarchen, ist unübersehbar. In einem Video hat die Fraktion symbolisch Stellung bezogen.
Regionen im Fokus von Finanz- und Haushaltspolitik
Eine der Hauptdebatten der Woche drehte sich um den EU-Haushalt. U. a. wurde am Dienstag nachmittag über eine Resolution des Europäischen Parlaments zum Reflexionspapier über die Zukunft der EU-Finanzen abgestimmt, das schon vor der Sommerpause im Plenum diskutiert wurde.
Aus Perspektive der GUENGL müssen wir leider feststellen: „Die EU-Kommission wie auch die Regierungen der Mitgliedstaaten sehen die europäische Regional- und Förderpolitik schon lange als Selbstbedienungsladen für ‚neue‘ Prioritäten. Im Zukunftspapier zu den EU-Finanzen nehmen denn auch 4 von 5 Szenarien Kürzungen bei der Solidarität in Kauf. Stattdessen soll nun ganz offen und massiv in Sicherheitspolitik, Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsforschung investiert werden. Das Europaparlament muss sich diesen Trends entgegenstellen.“ Der Ausgang dieser politischen Auseinandersetzungen ist auch nach der Annahme der Parlamentsresolution offen.
Weiterhin wurde in der Plenumswoche eine Resolution des Europäischen Parlaments zum Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2018 beschlossen. Es wird niemand verwundern, dass unsere Fraktion hierbei nicht mit all ihren Änderungsanträgen durchdringt, denn “Der EU-Haushalt reflektiert die politischen Prioritäten der EU.“ und wer da vieles mehr als kritisch sieht, muss mit der eigenen Prioritätensetzung weiter um Mehrheiten kämpfen. „DIE LINKE. im Europaparlament“, so Martina Michels: „fordert, dass gute Arbeit, nachhaltiges Wirtschaften, Klimaschutz und Solidarität in und zwischen den Regionen und Mitgliedstaaten im Zentrum europäischer Politik stehen.“ Ausgleich zwischen den Regionen halten wir für ein gutes politisches Instrument gegen soziale, ökonomische und auch wachsende politische Instabilität, gegen das Versagen bei Integration und für die Sicherung von Grundrechten. Kürzungsbestreben, die von Regierungen der Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Politikbereichen, den regionalen Ausgleich eingeschlossen, immer wieder geäußert werden, lehnen wir ab. Die Finanzierung militärischer Projekte aus dem EU-Haushalt halten wir ebenso für den falschen Weg. Internationale Herausforderung zu bewältigen, vom Klimaschutz bis zur Migration, kosten Geld. Das verschweigen wir nicht. Die Besteuerung multinationaler Unternehmen, CO2-Steuern und Transaktionssteuern sind für uns der richtige Weg.
Reise nach Israel: Neue Woche – neue Aufgaben: Eine Reise nach Israel statt Reformationstag und Allerheiligen
Deutschland feiert in dieser Woche 500 Jahre Reformation. Glaubt man den medialen Verlautbarungen, dann ist es hinreichend sich mit einer einzigen Person, mit Martin Luther zu beschäftigen, während die Reformation sicher auch als europäisches Phänomen im Zuge der Renaissance verstehbar wird und wir dann auf Querverbindungen vom hussitischen Theater bis zur Tradition der Freidenker vorstoßen könnten und vielleicht auch den 100 Jahre später folgenden 30jährigen Krieg besser erfassen würden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, Thomas Müntzer und die Bauern hätten jedenfalls jetzt schon verdient ein Wörtchen mitzureden, statt Luther ins Gelee des Übervaters der Reformation zu tauchen. In Belgien interessiert hingegen der neu entdeckte Lutherkult recht wenig, während sich alle, gleich unserer süddeutschen Bundesländer, auf die eher katholischen Feiertage am 1 und 2. November freuen und Allerheiligen, zumeist als Kurzurlaub begehen.
Martina hingegen brach am heutigen Montag vormittag mit der EU-Israel-Delegation nach Jerusalem auf und verlängert die Reise selbst noch, um sich am Mittwoch und Donnerstag über die Begegnungen in der Knesset hinaus, sich mit Gewerkschaften und NGOs in Tel Aviv zu treffen. In der kommenden Martinas Woche 44 werden wir ausführlich über diese Reise berichten.