Weniger feiern, mehr kämpfen! – 60 Jahre Römische Verträge
Parlamentsdebatte über die Zukunft der EU im Schatten des Brexit
Weniger feiern, mehr kämpfen!, empfahl unsere Fraktionsvorsitzende, Gabi Zimmer, als sich das Parlament am Mittwoch in eine Grundsatzdebatte zur Zukunft Europas verwickelte. Anlass war die bevorstehende Erklärung zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge, am 25. März 2017, die als Gründungsdokumente der EU gelten. Doch lang schon hat schon hat sich erwiesen, dass eine EU ohne soziale Säule ihre Gründungsversprechen deutlich verfehlt.
Das Ende des Fordismus in den 70ern, das Ende der alten Großindustrien vor dem Hintergrund von Digitalisierung, Energiekrisen und einer Gesellschaft, die Wissen und Information als heiß umkämpften Rohstoff erkannt hat, war zugleich begleitet von Widerstandsbewegungen, den erstarkenden nationalen Befreiungsbewegungen im globalen Süden, dem Aufbruch von Frauen und neuen Lebensweisen, die sich der ökologischen Nachhaltigkeit verschrieben. In diesen Umbrüchen setzten sich neoliberale Politikversprechen durch, dies auch, indem sie suggerierten, Freiheitsversprechen der neuen Bewegungen anzugehen. Doch die Konflikte um Ressourcen, um Einfluss, um die private Sicherung von gesellschaftlichen Innovationen blieben in Gestalt von Flexibilisierung, Privatisierung und einseitiger Globalisierung der komplexen Produktionsketten erhalten. Insbesondere Großkonzerne schufen sich mit der WTO, der Weltbank und dem IWF ihre internationalen Institutionen, denen die Nationalstaaten – und selbst die Binnenmarkt fixierte EU – wenig entgegensetzen.
Die Fehlstellen einer solidarischen Politik in der EU hat Folgen. Die EU-Institutionen, die sich bei der Lösung wichtiger Fragen oft gegenseitig auf den Füßen stehen, wird gern von denen angegriffen, die eine starke politische Regulierung in Europa ablehnen oder sie nur da wollen, wo es ihren partikularen Interessen gerade passt. Andererseits folgt ein Teil der ModernisierungsverliererInnen immer häufiger nationalistischen Protestversprechen gegen das Establishment aus Politik und Wirtschaft und scheut sich dabei nicht, ihren zumeist rassistischen Abschottungen antikapitalistische Attitüden beizumengen. Dieses Rezept ist nicht neu und historisch bei Aufstieg des Faschismus in den 30ern bestens zu beobachten. Versprechen, wie der Brexit, die Wahlkampfthemen in den Niederlanden, die Vorwahlzeit in Frankreich und auch in Deutschland widerspiegeln dieselben Debatten.
Dabei drängen sowohl die Ursachen weltweiter Flucht, zum Beispiel der Syrienkonflikt, aber auch die Digitalisierung nach europäischen (und internationalen) politischen Lösungen, die auf mehr und anderes als auf Wachstum, Wettbewerb und Binnenmarkt fixiert sind. Ökologische Fragen, wie Klimawandel und Ressourcenschonung, Wege für legale Migration, Abbau von einseitigen Handelsüberschüssen und einem europäischen Protektionismus bei Agrarprodukten, aber auch Kulturaustausch und Wissenszugänge für alle sind entscheidend für den sozialen Ausgleich und die Zukunftschancen jeder und jedes einzelnen.
Und dabei ist es am Ende nicht einmal unergeblich, was und wie wir feiern, über Religionen hinweg und oft voller geschichtlicher Vergewisserung. Der Premierminister Irlands, Enda Kenny, gab dafür am Freitag das beste Beispiel, als er, um den St. Patricks-Day in den USA zu feiern, erklärte: der heilige Saint Patrick war ein Immigrant und war mit dabei, Amerika zu dem zu machen, was es heute ist: ein Schmelztiegel der Kulturen. Zugleich setzte er sich damit für die 50000 Landsleute ein, die in den USA ohne Aufenthaltsgenehmigung leben und forderte deren aufenthaltsrechtliche Legalisierung. Der Brexit, der wohl der deutlichste Ausdruck für die Krise der EU derzeit, stellt insbesondere auch Irland vor besondere politische Herausforderungen. Hier ist die berührende Rede im Video, mit einem stoisch dreinblickenden Trump. Das ist doch eine Feier wert.