Keine Einsicht: EP stützt Sparlogik des Europäischen Semesters

Chance verpasst für klare Position gegen Strafverfahren gegen Portugal und Spanien

Heute (Dienstag, 25. Oktober 2016) debattierte das Plenum seinen Bericht zur Umsetzung der Prioritäten im Rahmen des Europäischen Semesters 2016. Obwohl eine Reihe der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Problemstellungen darin durchaus kritisch dargestellt wird, so stellt der Bericht die Funktionalität des Regelwerks zur wirtschafts- und fiskalpolitschen Koordinierung eben nicht infrage. Konsequenterweise wurde auch diese erste Chance verpasst, eine klare Position zum aktuell laufenden Defizitverfahren gegenüber Portugal und Spanien zu beziehen. Die darin enthaltene Sanktionsandrohung stützt sich auf Art. 23 der Strukturfondsrahmenverordnung, die „makroökonomische Konditionalität“, die wiederum den direkten Zusammenhang mit den Regeln des Europäischen Semesters hergestellt hat – übrigens ursprünglich gegen den Willen einer Parlamentsmehrheit. Konkret droht den beiden Volkswirtschaften aufgrund ihres andauernden Haushaltsdefizits die teilweise Aussetzung von EU-Strukturfondsmittelzusagen. Dies aber steht im Widerspruch zur Notwendigkeit, das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln und der sozialen Krise, in der sich diese Länder befinden, ein Ende zu bereiten. Kein Land sollte dafür bestraft werden, wenn es seine Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt durch öffentliche Investitionspläne oder durch eine auf Umverteilung ausgerichtete Haushaltspolitik oder eine progressive Steuerpolitik unterstützt.

Die Linksfraktion GUE/NGL hatte im Rahmen der Arbeit an diesem Bericht vor allem darauf gedrängt, dieses Verfahren zu beenden. Wir fordern, dass letztlich der dem Verfahren zugrundeliegende Mechanismus, bei der die Kohäsionspolitik der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU untergeordnet wird, abgeschafft wird. Während gerade der REGI-Ausschuss in der vergangen Legislaturperiode mehrheitlich vehement gegen diese Verknüpfung argumentiert hatte, versucht eine große Koalition nun, den Präzedenzfall zwar im Detail abzumildern, traut sich aber nicht, die zugrunde liegende Gesetzgebung für das zu erklären, was sie ist: politisch, sozial und wirtschaftlich unsinnig (siehe dazu auch Martina Michels‘ Statements hier und hier).  

Als Teil eines strukturierten Dialogs hatte der Ausschuss für Regionale Entwicklung und der Ausschuss für Wirtschaft und Währung in am Rande der vergangenen Plenartagung in Strasbourg bereits eine gemeinsame Sitzung abgehalten (Videozusammenfassung hier). Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen und Regionalpolitik-Kommissarin Corina Creţu hatten dort Pläne der Kommission über ein mögliches Aussetzen von Zahlungen aus den EU-Struktur- und Investitionsfonds erläutert. Insbesondere hatten die Kommissare betont, dass es die Staats- und Regierungschefs im Rat gewesen seien, die Portugal und Spanien vorwerfen sich nicht effektiv um das Absenken ihrer Haushaltsdefizite unter das vom Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehene Limit gekümmert und haben. Die EU-Kommission ist nach dieser Entscheidung der Mitgliedstaaten verpflichtet, einen Vorschlag über die Aussetzung von EU-Fondszahlungen in diesen beiden Ländern vorzulegen, muß jedoch das Parlament vorher anhören.

Martina  Michels, regionalpolitische Sprecherin der LINKEN. im Europaparlament hatte zu dieser ersten Aussprache mit der Kommission erklärt: „Diese Sanktionen wären ungerecht den Betroffenen gegenüber, ökonomischer Unsinn und gefährlich für den Zusammenhalt in der Europäischen Union. Die Spirale aus Sparauflagen für die Mitgliedstaaten, daraus folgendem Rückgang der öffentlichen Investitionen auf allen Ebenen und damit Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage würde durch das Zurückhalten von EU-Mitteln noch verstärkt. Das ist das Gegenteil von Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse, dem Kernziel der EU-Kohäsionspolitik […]“. Der vollständige Text der Pressemitteilung hier.

Die Regionalförderpolitik ist das wichtigste Instrument der EU für die Unterstützung des solidarischen wirtschaftlichen und des sozialen Zusammenhalts. Ihre erklärten Ziele sind die Verringerung des Gefälles zwischen den Regionen sowie die Förderung einer wirklichen Konvergenz und die Ankurbelung von Wachstum und Beschäftigung sind.  Die Kohäsionspolitik als Instrument für finanzielle Sanktionen zu nutzen, wenn eine Region oder ein Mitgliedstaat die Politik der Deregulierung und Privatisierung ablehnt, ist der völlig falsche Weg.

Der nächste Teil des Strukturierten Dialogs, zu dem die Finanzminister Portugals und Spaniens eingeladen sind, wird voraussichtlich am 8. November 2016, 17h30-19h00 stattfinden.

Link zum Informationstext und Graphik zur Entwicklung der Haushaltsdefizite in den 28 EU-Mitgliedstaaten.