Der Kommissar für die digitale Welt verlässt das demokratische Grundprinzip der Netzpolitik.

Letzten Mittwoch hat die Telekommunikationsbranche ihr G5-Manifesto veröffentlicht. Nach der Spezialdienste- und Zero-Ratungdebatte ist das ein weiterer Vorstoß gegen das Grundprinzip der Netzneutralität. Statt die Drohungen des Investitionsstopps zurückzuweisen, verlässt Oettinger den politischen Posten, der ein gleiches Netz für alle zum Grundprinzip erheben sollte, damit die demokratische Potenz des Netzes gesichert wird. Dazu erklärt Martina Michels, stellvertretendes Mitglied im Kulturausschuss:

„Oettinger zog als großer Harmonisierer in das digitale Europa und manches klang vor einem Jahr durchaus hoffnungsvoll, als die Strategie für den digitalen Binnenmarkt verkündet wurde. Die Tunnelblick auf den digitalen Binnenmarkt für derartig gravierende gesellschaftliche Veränderungen habe ich allerdings von anfang an kritisiert. Die alleinige Orientierung auf Unternehmen und Verbraucherschutz ist, ist nicht hinreichend, um die Digitalsierung politisch einzubinden und Grundprinzipien, wie Netzneutralität, modernes Urheberrecht und Datenschutz so weiter zu entwickeln, dass die Art, wie wir lernen, kommunizieren und uns täglich medial vermittelt Welt aneignen – auch über die Ökonomie hinaus – demokratisch und sozial ausgewogen wird.

Der erste Dämpfer einer digitalen Strategie für die ganze Gesellschaft folgte nach den großen Ankündigungen der Kommission im Mai 2015 genau vor einem Jahr, als der Urheberrechtsbericht der Piratin Julia Reda sich nur unmerklich zu den großen Fragen eines harmonisierten und Nutzer freundlichen Urheberrecht bewegen konnte. Stattdessen wurden Nebelkerzen, wie die Panoramafreiheit in der medialen Debatte bestimmend und am Ende blieb alles, wie es in den verschiedenen Mitgliedstsaaten geregelt war. Doch im Hintergrund der ganzen Debatte wurde auch das Leistungsschutzrecht, durchgesetzt von den großen alten Zeitungsverlegern in Spanien und Deutschland, auf die europäische Bühne geschoben. Im vergangenen Jahr hatte das Parlament im Juli derartige Vorstöße abgelehnt. Doch schon im Dezember wurden derartige Versuche in Kommissionsmitteilungen wieder aufgenommen und geistern seither unbeirrt in den Kommissionsverschlägen herum.“

Zum aktuellen politischen Vorstoß gegen die Netzneutralität setzt Martina Michels fort:  

„Ähnliches widerfährt ständig dem Prinzip der Netzneutralität, das für jegliche Europäische Netzpolitik grundlegender Anker sein sollte, da nur ein Netz für alle der Ausgangspunkt für eine demokratische Netzentwicklung- und -nutzung sein kann. Doch auch hier rührt der Digitalkommissar inzwischen an der ‚falschen Stelle‘. Schon im vergangenen Jahr, als das Telekommunikationspaket sich mit den Spezialdiensten und dem Zero-Rating herumschlug, waren die Angriffe auf die Netzneutralität deutlich. Doch nun zieht die Telekommunikationsbranche durch und verabschiedete mit ihrem G5-Manifesto eine Drohung gegen die unabhängigen Regulierungsbehörden. Sie verkünden ein Investitionsstopp, wenn die Politik nicht ihren Vorstellungen eines Mehrklassennetzes folgt.“

Abschließend hält Martina Michels fest:

„Statt der Wirtschaft die politischen Grenzen zu zeigen, stellt sich Oettinger hinter diesen Vorstoß gegen die Netzneutralität. Das ist nicht nur fatal, es zeigt ganz deutlich: eine netzpolitische Sommerpause sollten wir besser blieben lassen und schnell Öffentlichkeit für diese gefährliche Stoßrichtung gegen die Freiheit des Wissens und der Information, des kulturellen Austauschs und des Rechts auf Bildung mobilisieren.“