Kulturelle Vielfalt: noch immer Nischenthema der Politik

Morgen, am 21. Mai, ist der Welttag der Kulturellen Vielfalt, des Dialogs und der Entwicklung (World Day for Cultural Diversity, for Dialogue and Development), den die UNESCO 2001 ins Leben gerufen hat. Die UNESCO-Konvention über den „Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ wurde erst am 20. Oktober 2005 verabschiedet und trat 2007 in Kraft.

Anlässlich de Welttages der Kulturellen Vielfalt erklärt Martina Michels, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung:

„Der interkulturelle Dialog ist kein Nischenthema, auch wenn die Politik ihn oft trotz vollmundiger Ankündigungen so behandelt. Die UNESCO-Konvention behandelt Kulturgüter in ihrer Doppelfunktion – als Träger von Wert und als (zumeist) kommerzielle Produkte – und hatte allein damit das Themenfeld annähernd in die Dimension gehoben, in die es gesellschaftlich schon immer gehörte.

Der sogenannte Kultursektor ist weltweit eine Wachstumsbranche und muss sich mit ihrer Produktivität, auch kommerziell, hinter klassischen Industriesektoren nicht verstecken: Buchmarkt, Filmindustrie, Konzert- und Theaterlandschaft, Museen und Kunst im öffentlichen Raum prägen gesellschaftliche Dialoge, öffentliche Debatten, sind Teil demokratischer Aushandlung und individueller Sinnsuche.

Zugleich dient ein Teil der Arbeitsstrukturen, die seit Jahrhunderten aus der Selbständigkeit künstlerischen Schaffens ererbt wurden oder heute in den sogenannten creative industries gewachsen sind, als Folie für entgrenzte Arbeit ohne soziale Sicherung und Altersversorgung.
Die Kehrseite der hohen Motivation vieler Kulturschaffender, vom Bildhauer bis zur Spielesoftwareingenieurin, ist allerdings zu oft Selbstausbeutung und ein branchenspezifischer mangelnder Organisationsgrad. Deshalb fordern Linke schon lange ein fair work-Siegel in den creative industries, damit sie nicht zur Blaupause für die „schöne neue Arbeitswelt“ verkommt, in der jeder sein eigenes Unternehmen darstellt und sich für Lebensrisiken individuell vorsorgen soll.

Entscheidende Themenfelder, die mit dem Welttag zu Recht verbunden wird, sind bessere Rahmenbedingungen für den interkulturellen Dialog, für die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Dass es hier nicht nur um künstlerische Auseinandersetzungen geht, sondern um kulturelle Debatten der ganzen Gesellschaft, einer Gesellschaft, die Rassismus und einem wachsenden Kulturalismus in der politischen Auseinandersetzung begegnet, liegt derzeit auf der Hand.

Die Tendenz, den interkulturellen Dialog wohl gemeint zum interreligiösen Dialog zu verkürzen, ist angesichts von ideologisch in vielen Facetten grassierender Islamophobie und mindestens ebenso präsentem Antisemitismus, nicht zu übersehen.
Als interreligiösen Dialog werden wir allerdings die Welt der Ressentiments und des subtilen und gefährlichen Alltagsrassismus‘ (der uns sowohl in den Medien, in der Politik, als auch auf der Straße begegnet), angesichts einer unbewältigten europäischen Flüchtlingspolitik, nicht bewältigen.

Die Ursachen liegen tiefer

Wie in den globalen Ungleichheiten, dem europäischen wirtschaftlichen Protektionismus, einer Entwicklungspolitik, die als Marktsicherung statt als Hilfe zur Selbsthilfe betrieben wird.

Bessere Rahmenbedingungen für den Interkulturellen Dialog sind daher ein anspruchsvolles Cross-over-Thema, das viele Politikbereiche angeht, wenn sich hier etwas ändern soll und die Homogenitätsideologie von rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien gesellschaftlich geächtet werden soll.

Im Januar 2016 verabschiedete das Plenum des Europäischen Parlaments den Bericht „Über die Rolle des Interkultuellen Dialogs, der kulturellen Vielfalt und der Bildung bei der Förderung der Grundwerte der EU“. Nicht nachvollziehbar bleibt, warum derart entscheidende Fragen der Integration letztlich nur „versteckt im Kulturausschuss“ behandelt werden.
Mit den Anschlägen vom 13. November in Paris und Brüssel wurde einmal mehr und nur im Falle der Reflexionen, sehr kritisch auf die Fehlstellen von jahrzehntelangen Integrationsprozessen in vielen europäischen Ländern verwiesen. Der thematische Nachholbedarf außerhalb von Kulturausschüssen liegt eigentlich auf der Hand.

 

Link zur Berichtsdebatte des Kulturausschusses:

Interkultureller Dialog: Wertedebatten sind keine Nischenthemen (Bericht zum Interkulturellen Dialog im Ausschuss abgestimmt)

 

Welttag der kulturellen Vielfalt