Kohäsion nach 2020 – Türkei vorm Gipfel – Jugendkarlspreis – „Better Regulation“

Die Türkei vorm Sondergipfel mit den EU-Staaten am kommenden Montag, dem 7. März, eine Konferenz unserer Fraktion zur Regionalpolitik nach 2020, erste Jury-Ergebnisse zum Karlspreis für Jugendprojekte und ein Treffen der Europapolitischen Sprecherinnen und Sprecher am Freitag in Berlin standen im Mittelpunkt von Martinas Woche.

Und nun alles der Reihe nach: 

 

Regionalpolitische Konferenz am 3. März 2016 zur Zukunft der Kohäsionspolitik nach 2020

Nicht nur das akute Versagen in der Flüchtlingspolitik als Ausdruck globaler Ungerechtigkeit und unbewältigter Konfliktherde unmittelbar vor den Toren Europas, drohen der EU das Grab zu schaufeln. Sie kann, außer im Falle der Türkei zu schweigen, sich auch sonst an die eigene Nase fassen, wenn es um verschleppte Lösungen geht, eine Politik des sozialen Ausgleichs, des Friedens und des demokratischen Einspruchs in Angriff zu nehmen. 

Die Sparpolitik, die Marktgläubigkeit, der rein wirtschaftlich verstandene Wettbewerbsgedanke der EU, sichert einigen wenigen Profiteuren seit Jahren, trotz Finanzkrisen, Jugendarbeitslosigkeit und allerhand anderer gesellschaftlicher Problemlagen ungebrochene Profite. Doch zur Lösung anstehender gesellschaftlicher Herausforderungen, wie hohe soziale und demokratische Standards, Umwelt- und Verbraucherschutz, digitaler Wandel, der den Zugang für alle sichert und vieles mehr, trägt diese Strategie nichts bei.

Deshalb ist die Europäische Kohäsionspolitik, und damit die sinnvolle Ausgestaltung und Kontrolle der Struktur- und Sozialfonds, ein so wichtiges Feld, um in den Regionen gegen diese Fehlstrategie gegenzusteuern, zu zeigen, dass ein gutes Leben für alle verbunden mit nachhaltigem Wirtschaften eine andere Richtung nehmen kann, als wir sie derzeit analysieren können. Sozialer Ausgleich in den Regionen ist keine Reparaturpolitik. Sie sollte ein Wesenszug aller politischen Instrumente sein. Nun sind wir auch in der Strukturpolitik nicht im Wolkenkuckucksheim. Natürlich würden sie viele gern an der großen Fehlstrategie orientieren, weshalb schon lange das absurde Instrument der makroökonomischen Konditionalisierung in der Handhabung der Strukturfonds eingeführt wurde. Jetzt wird es auch noch ergänzt durch eine seltsame „Ad-hocisierung“ in der Förderpolitik, die jeglichen Planungs- und Nachhaltigskeitsüberlegungen ins Gesicht schlägt. Dies und die Auswege aus diesen Fehlsteuerungen standen in einer Konferenz am 3. März 2016 auf dem Programm, zu der Martina mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Regionalausschuss eingeladen hatte und die sie am späteren Vormittag beherzt moderierte. Was geplant war, hatte Martina hier zusammengefasst und was diskutiert wurde, hat Nora Schüttpelz mit ihr gemeinsam in einem Konferenzbericht aufgeschrieben.

 

Türkei vorm EU-Sondergipfel am 7. März 2016

In der Türkei ordnet Regierungschef Davutoğlu die staatliche Übernahme und Zwangsverwaltung der größten oppositionelle Tageszeitung Zaman mit Tränengas, Anti-Terroreinheiten und Gewalt an. Er lässt Proteste gegen Medienfreiheit niederknüppeln und verbietet Demonstrationen zum Internationalen Frauentag. Der Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden hat kaum noch landesweite Öffentlichkeit, die erschossenen Flüchtlinge an der geschlossenen syrischen Grenze bleiben namenlos. Die Vorbereitung für einen fragwürdigen Regierungsgipfel mit den EU-Mitgliedtstaaten, bei dem die Türkei die Preise bestimmen will, sind also im vollen Gange. Martina Michels hat dazu am Donnerstag ein Video-Interview gegeben, am gleichen Tag als HDP-Abgeordnete in Diyarbakır gegen die nun über drei Monate währende Ausperrung in der Innenstadt Sur protestierten. Die politische Elite der EU schweigt, Rechtspopulisten, wie in der Slowakei, gewinnen Wahlen  

Eine Woche vor dem nächsten Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg ist die Krise der Europäischen Union, deutlich in der Handlungsunfähigkeit in der Flüchtlingspolitik, so offensichtlich wie lange nicht. Ein update-Kommentar von Martina Michels nach dem EU-Türkei-Gipfel wird deshalb gleich am Montag produziert und veröffentlicht. Irgendwo versteckt in der Tagesordnung des Plenums am kommenden Dienstagnachmittag, wird das Europäische Parlament einmal mehr zum Flüchtlingsmanagement diskutieren und am Mittwoch erklären Rat und Kommission, wie sie sich den nächsten Gipfel Mitte März vorstellen. Zur Lage in Griechenland – vorm Türkei-Sondergipfel am Montag -, hatte sich auch Martinas Delegationskollegin und -sprecherin, Conny Ernst, geäußert.

 

Charlemange Youth Prize (CYP) ging im Vorentscheid an ein Projekt aus Thüringen         

Ende der vergangenen Woche tagte die Jury der deutschen Abgeordneten, die zu bewerten hatte, wer in diesem Jahr aus Deutschland in die Europäische Endrunde des Jugendkarlspreises kommt. Und sie hat entschieden, wir hatten schon berichtet. Doch jetzt ist der Gewinner auch öffentlich und wir können das sympathische Projekt aus Bad Salzungen in Thüringen näher kennenlernen. Dann drücken wir mal die Daumen für die Europäische Jury. Letztlich ist es aber bei solchen Preisverleihungen, wie immer: Es gibt viele interessante Projekte, sie können sich unter einander kennenlernen und die Öffentlichkeit nimmt ihre Arbeit wahr. Sie sind die, die interkulturelle Arbeit leisten, den digitalen Wandel mit eigenen Ideen begleiten, Flüchtende mit integrieren und damit auch anderen Mut machen, aktiv zu werden.

 

Europapolitische Sprecherinnen und Sprecher tagten am 4. März in Berlin

Neben vielen akuten Themen gab es in dieser Runde eine erste Verständigung zum Themenfeld „better regulation“. Diese sympatische Überschrift ist derzeit in der EU-Politik in aller Munde. Doch was verbirgt sich dahinter?

Thomas Händel, Vorsitzender im Beschäftigungsausschuss (EMPL) im Europäischen Parlament, sagte schon mehrfach, wir werden durch diese Strategie zu einem Verteidigungsausschuss, denn „better regulation“ ist ein Angriff auf soziale Standards, nicht nur im Arbeitsleben. Gleich drei Büros aus der deutschen Delegation in Brüssel, gaben am Freitag interessante Inputs, neben Frank Puskarev, der Mitarbeiter von Thomas Händel, sprachen Norbert Hagemann aus dem Büro von Helmut Scholz und Fabio De Masi.

Sie erläuterten aus unterschiedlichen Perspektiven, dass „better regulation“ zu einem Instrument ausgebaut werden soll, dass einer nicht demokratisch legitimierten Expertokratie mehr Zugang zu Kommissionsentscheidungen gewährt, Folgenabschätzungen von Rechtssetzungen in die Hände von Lobbyisten verlagert und Entscheidungsspielräume des Parlaments gegen Gesetzesvorhaben verkürzt oder gar gänzlich kappt.

So schön es klingt – „better regulation“ -, es scheint Teil des Institutionen-Umbaus der EU zu sein, welcher den Siegeszug der eigenlich gesamtgesellschaftlich gescheiterten Neoliberalen bis ins Gewebe der Institutionen einschleift. Hier ist also mehr als Aufwachen angesagt. Es lohnt sich diese schwierige Materie unter die Lupe zu nehmen. Die Delegation wird hierzu konkret und umfassend berichten und sich auch mit ihren Mitteln sachkundig machen, inwieweit geltendes EU-Recht durch derartige Strategien angegriffen wird. Die Debatte zeigte deutlich, dass hier die Zusammenarbeit aller Europapolitikerinnen und Poltiker in den Ländern, in der Bundestagsfraktion und in Brüssel dringend und sinnvoll ist.