Europaabgeordnete Cornelia Ernst, Mitglied der EU-Iran Delegation des Europaparlaments, kommentiert die Wahlen zum iranischen Parlament und zum iranischen Expertenrat vom Freitag:

Im Zuge der vorletzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2009 gingen zehntausende Iranerinnen und Iraner auf die Straße und forderten grundlegende Reformen von der Staatsführung. Die gewaltsame Niederschlagung des Protests und die darauffolgende Unterdrückung und Verfolgung ihrer Stimmen, stürzten weite Teile der Zivilgesellschaft in völlige Desillusion.

Selbstverständlich lässt sich auch im Jahr 2016 nicht von wirklich demokratischen und freien Wahlen sprechen. Ein Großteil der Kandidierenden wurde bereits im Vorfeld vom Wächterrat nicht zur Wahl zugelassen und unter Präsident Hassan Rohani hat die Zahl der Hinrichtungen entgegen aller Versprechen weiter zugenommen, sodass weltweit einzig in China noch mehr Todesurteile vollstreckt werden (2014). Außerdem tangiert das Wahlergebnis weder die Macht der Mullahs, noch spielte Irans Verwicklung in die Machtpolitik der Region und die damit verbundene Teilhabe an den Kriegen in Syrien und im Jemen eine sonderliche Rolle im Vorlauf der Wahl.

Dennoch darf man die Fortschritte, die das Land seit der Niederschlagung der Grünen Revolution erzielt, nicht vollends außer Acht lassen. Im Nachgang der Einigung in den Atomverhandlungen zeichnet sich unter Rohani eine halbwegs beständige Öffnung und sachlichere geopolitische Diplomatie ab. Die Anzahl von Frauen, die sich zur Wahl stellten, vervierfachte sich im Vergleich zur letzten Wahl und im Vergleich zu 2013 konnte dieses Jahr wieder eine leicht erhöhte Wahlbeteiligung erreicht werden – zum Unmut der Hardliner, die insgesamt an Einfluss weiter verlieren könnten.

Der Zusammenschluss der gemäßigt Konservativen, der Reformer und der Gemäßigten erhält die Hoffnung darauf, dass das Parlament Präsident Rohani bei etwaigen Reformbemühungen eher unterstützt als blockiert. Wir begrüßen das Wahlergebnis in der Hoffnung, eine Art Neuanfang, der mit den Hardlinern undenkbar ist, weiterhin zu ermöglichen.

Jedoch ist ein Neuanfang erst dann nicht auf Sand gebaut, wenn die massiven Menschenrechtsverletzungen unterbunden werden. Es muss eine sofortige Beendigung der mörderischen Praxis der Hinrichtungen und ein neuer Umgang mit den zahlreichen Minderheiten im Land eingeleitet werden. Die Öffnung Irans darf sich nicht auf eine alleinige Öffnung für die „westliche“ Wirtschaft beschränken: Die Hoffnung auf eine weitere Öffnung muss sich den Reformbestrebungen der Zivilgesellschaft zugänglich zeigen, soll die verhalten hoffnungsvolle Entwicklung der letzten Jahre einen nachhaltigen Wert haben.

 

Für den kommenden Mai ist die nächste Reise der Parlamentsdelegation in den Iran geplant.