Interkultureller Dialog: Wertedebatten sind keine Nischenthemen
Bericht zum Interkulturellen Dialog im Ausschuss abgestimmt
Im September diesen Jahres wurde nicht nur der Bericht zum Interkulturellen Dialog in Europa von der britischen Sozialdemokratin Julie Ward vorgestellt, der Kulturausschuss hatte zugleich eine Anhörung zum Thema auf dem Programm, die sowohl empfindliche Schwachstellen im Wissen um die Europäische Geschichte und den Holocaust -nicht nur bei Jugendlichen- offenbarte, sondern auch die völlige Unsensibilität bei der Auswahl und Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, sowie Erziehern und Erziherinnen mit interkulturellen Kompetenzen in mehreren europäschen Ländern dokumentierte. In einer Studie musste festgehalten werden, dass in einem multikulturellen Kontinent wie Europa, interkulturelle Kompetenz und Mehrsprachkeit kein Auswahl- und auch kein Ausbildungskriterium ist. Es gab demnach allerhand Aufgabenstellungen, die dieser Bericht zu bearbeiten hatte. Mit den Anschlägen vom 13. November in Paris wurde dann einmal mehr und nur im besten Falle der Reflexionen, sehr kritisch auf die Fehlstellen von jahrzehntelangen Integrationsprozessen in vielen europäischen Ländern verwiesen. Wenn dies auch allein keinen Aufschluss zu den furchtbaren Verbrechen liefern kann, so ist es doch näher an der Wahrheitsuche nach den Ursachen solchen Terrors als kurzschlüssige und absurde Verkopplungen der Anschläge mit der Flüchtlingspolitik, einer angeblich hilfreichen staatlichen repressiven Innenpolitik oder gar einer kopflosen interventionistischen Außenpolitik. Soziale und kulturelle Integration sind zwei Seiten derselben Medaille, die leider ziemlich viele blinde Flecken aufweist, was auch der Bericht zeigt, der „versteckt im Kulturausschuss“ bisher leider wenig Öffentlichkeit erfahren hat. Der Berichtsentwurf trägt den schönen Titel: „Über die Rolle des interkultuellen Dialogs, der kulturellen Vielfalt und der Bildung bei der Förderung der Grundwerte der EU“. Martina war Schattenberichterstatterin und hat neben der Präzisierung des Zusammenhangs zur sozialen Integration, den Zugang zu Bildung, der Bedeutung von Kultur im engeren Sinne und den moderen Medien in Integrationsprozessen, besonders darauf verwiesen, dass Wertedebatten auch aus dem europäischen Humanismus kommen und daher nicht auf interreligiöse Debatten verengt werden dürfen – eine Tendenz, die heute durchaus üblich ist. Im Bericht wird auch die Rolle der Kultur in den internationalen Beziehungen behandelt und hier hat sich Martina deutlich gegen die Instrumentalisierung kultureller Austauschprozesse und Dialoge gewandt, sondern deren Eigenwert hervorgehoben. Letztlich könnte Kulturaustausch doch eher das wesentliche Element internationaler Beziehungen sein, statt die Aushandlung von wirtschaftlich geprägten Macht- und Interessensphären. Doch das ist offenbar ein ausgesprochen utopischer Ansatz. Weniger „zukunftsorientiert“ waren hingegen die Änderungsanträge, die sich auf eine dringende Bekämpfung von allen Spielarten des Antisemitismus‘, der Islamophobie, von Rechtsextremismus und Rassismus bezogen. Der Gegenwartsbezug ist offensichtlich. Der Aufklärungsbedarf ist enorm. Auch das haben die Anschläge von Paris einmal mehr ins Licht gerückt, sei es die schon länger währende Verdrängung jüdischen Lebens im Brüssler Stadtteil Molenbeek, aus dem die Attentäter mehrheitlich stammten oder der jetzige Wahlsieg des FN bei den Kommunalwahlen in Frankreich. Leider wurde die deutliche Aufzählung und Erwähnung des Kampfes gegen Antisemitismus aus einem Änderungsantrag von Martina, der ursprünglich auch Eingang in den Kompromiss 27 gefunden hatte, zugunsten eines nicht differenzierenden Rassismusbegriffs gestrichen. Das wollten wir zumindest an dieser Stelle anmerken, denn ein vergleichbarerer Vorgang war Martina schon beim Gründungsversuch der interfraktionellen Arbeistgruppe, die sich mit der Bekämpfung des Antisemitismus‘ beschäftigen wollte, zu Beginn der Legislatur im Parlament begegnet. Sinngemäß wurde damals argumentiert, dass deren Gründung doch nicht vonnöten sei, weil das Parlament schon eine Arbeitsgruppe habe, die sich mit Rassismus allgemein auseinandersetzt. Die Abgeordneten der GUENGL, der linken Fraktion im Europäischen Parlament, haben dem Bericht in Gänze dann aber zugestimmt, denn er enthält viele wichtige Forderungen und politische Vorschläge, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Immerhin kommt er im Neuen Jahr ins Europäische Parlament und dann gibt eshoffentlich mehr Aufsamkeit auf ein weithin unterschätztes politisches und gesellschaftliches Thema. |