Kehrtwende in der Asylpolitik jetzt!
Auf den Studientagen der Linksfraktion im Europaparlament diskutierten die Abgeordneten in Florenz die aktuelle Krise an den Außengrenzen der EU mit Migranten, Journalisten, Anwälten und Vertretern von NGOs. Im Anschluss daran erklärt Cornelia Ernst, migrationspolitische Sprecherin der LINKEN. Im Europaparlament:
Das Recht auf Asyl ist eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute wird dieses Menschenrecht vollständig unterhöhlt durch eine EU-Politik, die Flüchtlinge in einem Atemzug mit organisiertem Verbrechen, Menschenhandel und Terrorismus nennt. Zur Bekämpfung von Migration – in erster Linie reden wir über Menschen in Not – werden im Rahmen des Schengen-Systems seit Jahren immer mehr Instrumente in Stellung gebracht, wie FRONTEX, EUROSUR, die Fingerabdruckdatenbank EURODAC oder das Schengener Informationssystem.
Die Folgen davon können wir heute an den Grenzen der EU, in Italien, Griechenland, Spanien und Bulgarien beobachten, wo Menschen in ihrer Verzweiflung jeden noch so gefährlichen Weg nehmen um in die EU zu gelangen.
Die Bekämpfung und Herabwürdigung von Flüchtlingen findet aber nicht nur durch die EU, sondern durch alle politischen Ebenen statt. Indem in Deutschland die Verantwortung für die Unterbringung von Flüchtlingen auf die Kommunen abgeschoben wird, diese aber weder eingebunden noch finanziell ausreichend ausgestattet werden, werden Aufnahmestandards systematisch unterlaufen.
Dabei gibt es vor Ort, in den Kommunen und Landkreisen, konkrete Vorstellungen und große Hilfsbereitschaft, wie ich bei meinen Besuchen vor Ort feststellen konnte. Von den Bürgerinnen und Bürgern wie auch den Bürgermeistern und Landräten wird immer wieder kritisiert, dass sie zu spät informiert werden, Entscheidungen erst aus den Medien erfahren bzw. vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ein Teil der Probleme würde bei rechtzeitiger Information und offener, direkter Kommunikation gar nicht erst entstehen.
Diese Politik kann nicht weitergeführt werden. Um eine Kehrtwende einzuleiten setze ich mich dafür ein, dass im Europaparlament eine Untersuchungsgruppe gebildet wird, die sich eingehend und investigativ mit den zahlreichen bestehenden Missständen beschäftigen soll und anschließend einen Ansatz für eine wirklich menschenwürdige Flüchtlingspolitik erarbeiten. Solch ein Ansatz kann nur ein umfassender Ansatz sein, der sich nicht ausschließlich auf Grenzsicherheit konzentriert sondern die Not und die Würde der Geflüchteten in den Mittelpunkt stellt.
Ganz besonders will ich mich in dem Zusammenhang dafür einsetzen, dass der Verbleib der über 100 vermissten Flüchtlinge aus Tunesien aufgeklärt wird, die seit Beginn des Arabischen Frühlings verschollen sind. Von nicht wenigen fehlt erst seit ihrer nachweislichen Ankunft in Italien jede Spur.
Dringend müssen legale Zugangswege in die EU für Flüchtlinge geschaffen und das Dublin-System abgeschafft werden. In den Mitgliedstaaten muss die Unterbringung drastisch verbessert werden und die Sozialsysteme so ausgestattet werden, dass Flüchtlinge aufgenommen werden können. Weiter aktuell bleibt der Kampf gegen Rassismus, wie die jüngsten Demonstrationen gegen Asylbewerber, etwa in Dresden, zeigen. Diesen müssen wir uns entschieden entgegenstellen.
Florenz, 20. November 2014