Radio Stimme Russlands, 11 September 2014

Die EU hat eine neue Kommission. EU-Kommissionspräsident Juncker hat seine Mannschaft vorgestellt. Doch einige Kandidaten sind umstritten. Deshalb spricht die Linke im Europäischen Parlament von einem Kurs auf Krise. Darüber hat Hendrik Polland mit Cornelia Ernst gesprochen. Sie ist die Sprecherin der Linken im Europäischen Parlament.

EU-Kommissionspräsident Juncker hat seine 28 neuen Kommissare vorgestellt. In welche Richtung geht Europa damit?

Wenn man sich die Biografien der potenziellen Kommissare anschaut, dann spürt man, dass es konsequent in Richtung stockkonservativ in Europa geht.

Als umstritten gelten die Ernennungen von Jonathan Hill zum Finanzstabiltätskommissar, von Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici und von Tibor Navrascics für den Bereich Bildung, Kultur und Bürgergesellschaft. Wie sehr können Sie diese Nominierungen nachvollziehen?

Mit dieser Auswahl ist danebengegriffen worden. Es ist ein absoluter Skandal, dass Herr Navrascics Kommissar werden soll für Bildung, Kultur und Gesellschaft. Das ist ein Mann, der Justizminister in Ungarn war und Außenminister. Es hat dafür gesorgt, dass diese rechtskonservative Wende gerade in diesem Bereich stattfindet.

Bei welchem Amt erkennen Sie noch am ehesten einen Kurswechsel?

Ich kann Ihnen das nicht sagen, wo ich etwas Positives sehe. Cicilia Malström geht zum Handel über. Sie war zumindest eine kompetente Kommissarin. Ich beschäftige mich mit Datenschutz. Da finde ich es schwierig, dass der Herr Kollege Oettinger jetzt der Chef für die Digitale Agenda werden soll. Das ruft mir das Grauen herbei. Wen wir in jedem Fall ablehnen werden, ist Herr Navrascics.

Die Schwedin Cecilia Malström wird Handelskommissarin. Die Dänin Margrethe Vestager ist die neue Wettbewerbskommissarin. Hat Juncker damit sein Versprechen eingehalten, dass Frauen in dem Gremium nicht nur unbedeutende Posten erhalten?

Das ist alle wichtig sind, ist keine Frage. Es sind nur zu wenige Frauen. Die EU ist das einzige Gremium, welches in den letzten 20 Jahren immer die Gleichstellung vorangetrieben hat. Wenn sie dann aber nicht selber sagen, so, jetzt machen wir das, dann wird man unglaubwürdig.

Die Kommissare sind diesmal politische Schwergewichte. Darunter sind zum Beispiel ehemalige Regierungschefs und amtierende Minister. Vergrößert das die Chance auf eine schlagfertige Kommission?

Wir müssen sehen, wie der Zuschnitt insgesamt passt. Ob er mehr bürokratisiert, oder ob er mehr zusammenführt. Ob er mehr zur Hinterzimmerpolitik führt, oder ob es mehr Einbeziehung gibt. Das wird die entscheidende Frage sein. Wie sind die Strukturen?

Wenn ich Ihre Reaktionen zusammenfasse, dann wissen Sie selbst noch nicht so recht, was Sie von den neuen Kommissaren und Kommissarinnen halten sollen?

Wir müssen sie erstmal anhören. Es gibt einige, wo wir Nein sagen werden. Ich gebe mal ein anderes Beispiel: Die neue Kommissarin für Recht, Verbraucher und Chancengleichheit soll Vera Jourova werden. Das ist eine liberale Frau aus Tschechien. Bisher war sie Ministerin für regionale Entwicklung. Tschechien ist aber der negative Spitzenreiter, wenn man sich die Gleichstellung anguckt. Das ist traurig, dass man in einem so wichtigen Feld jemanden hat, wo man aus tschechischen Erfahrungen nicht allzu viel einbringen kann. Darauf wäre man in Skandinavien sicherlich besser eingestellt gewesen.

Ende der letzten Woche im September müssen sich die neuen Kommissare und Kommissarinnen Ihren Fragen stellen. Welche Fragen wollen Sie stellen?

Den ungarischen Kandidaten werden über die Mediengesetze befragen und nach den Demokratiedefiziten in Ungarn. Wir werden fragen, wie er in diesem Kontext glaubt, auf europäischer Ebene eine andere Politik betreiben zu können. Eine zweite Frage wird sein, wie er mit diesem Hintergrund in der Lage sein wird, EU-Recht einzuhalten.

Welche Kandidaten wollen Sie neben Herrn Navrascics definitiv verhindern?

Ich glaube auch, dass es viele Fragen bei dem Kommissar für Finanzen geben wird, Jonathan Hill. Auch Herr Oettinger muss sich fragen lassen, wie die Digitale Wirtschaft sich vereinbaren soll mit Datenschutz.

http://german.ruvr.ru/2014_09_11/Linke-will-neuen-Kulturkommissar-im-Europaparlament-verhindern-6689/