Menschenleben retten, Frontex abschaffen.
„Herr Präsident! Das Recht auf Leben ist das wichtigste Gut eines Menschen. Es gibt kein darüberstehendes Recht. Wenn es einer Verordnung bedarf, dieses Recht auf Leben auch Flüchtlingen zuzugestehen, dann wirft das schon ein bezeichnendes Licht auf EU und Mitgliedstaaten, die nicht um eine Mitverantwortung für den Tod von 19 000 Menschen an den EU-Außengrenzen herumkommen, denn das ist die Bilanz.
Die vorliegende Verordnung setzt zu Teilen das Hohe-See-Urteil um und schreibt für FRONTEX-Operationen zwingend die Wahrung des Seerechts vor — eine Selbstverständlichkeit, die beim Kampf gegen die „illegale Migration“ auf der Strecke geblieben ist. Der Gewinn der Verordnung — das ist sicherlich richtig — ist die klare Definition des Grundsatzes der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit den internationalen Menschenrechtsnormen.
Positiv ist auch, dass die menschenrechtsverachtenden „Pushbacks “ verboten werden, und die müssen verboten werden, und eine detaillierte Berichterstattung über Vorfälle und Aktionen stattfinden muss. Aber die Bekämpfung der sogenannten illegalen Migration guckt aus allen Knopflöchern raus — wie es die verankerte Möglichkeit der Ausschiffung von Flüchtlingen in Drittstaaten immer wieder zeigt.
Stellen Sie sich doch einmal vor, dass eine FRONTEX-Operation mit 3 000 Flüchtlingen auf Hoher See konfrontiert wird, die dort aufgefangen werden. Auf dem Schiff sollen dann alle Mittel ausgeschöpft werden, um die Personen zu identifizieren, ihre persönliche Situation zu bewerten. All das passiert auf Hoher See, mit 300 Leuten. Da sollen dann alle möglichen anderen Menschen da sein: Dolmetscher, Rechtsanwälte und, und, und. Es sollen aber eben nur alle Mittel ausgeschöpft werden. Ob tatsächlich identifiziert wird, ob tatsächlich die Situation erklärt wurde und für die einzelne Person bewertet wurde, das bleibt offen.
Auf dieser Grundlage erfolgt dann aber eine Ausschiffung oder nicht. Auf Hohe See vorverlagerte Grenzkontrollen können daher die Ausschiffung von Flüchtlingen zu einer ziemlich effizienten Methode der Bekämpfung der illegalen Migration qualifizieren — ein trojanisches Pferd, mit dem eine Art neue Abschiebepolitik auch legalisiert werden kann. Die Perspektivlosigkeit der Flüchtlinge bleibt, das ändert sich nicht, und damit sind wir nicht zufrieden.“