Schocktherapie Governance für Europa

Lothar Bisky in der EP-Plenardebatte zu den Ergebnissen des EU-Gipfeltreffens vom 22./23. Juni 2011

Herr Präsident,

einen historischen Gipfel für die Zukunft Europas hat mein Kollege Martin Schulz in der vergangenen Woche erwartet. Diese Erwartung hat der Gipfel der ganz offentsichtlich nicht erfüllt.:  

·        Mit dem Europaparlament konnte vorab keine Einigung über das Gesetzespaket zur Economic Governance erzielt werden.  

·        Bei den entscheidenden Zielen der EU2020-Strategie – Beschäftigung, Energieeffizienz, Forschung und Entwicklung, Armutsbekämpfung, weiterführende Bildung – sind nicht einmal aus Sicht der Regierungschefs Erfolge zu verzeichnen.  

·        Eine Lösung der Griechenlandkrise ist in weiter Ferne.  

·        Ein Blick auf das aktuelle Eurobarometer zeigt: Die Bürgerinnen und Bürger glauben kaum noch, dass die Politik in absehbarer Zeit die richtigen Wege aus der Krise beschreitet. 

Warum ist das so? Weil weiter unverändert auf die gleiche Wirtschaftspolitik gesetzt wird, die in die Krise verursacht hat.  Von Griechenland wird verlangt

– das Primat der demokratisch legitimierten Politik aufzugeben,

– sozialstaatliche Leistungen auszuhöhlen,

– Staatsbesitz auf Teufel komm raus zu veräussern.

Nur dann bekommt es Finanzhilfen , um damit diejenigen Kredite zu bedienen, die die Banken noch nicht an die EZB (also die öffentliche Hand) abgestoßen haben.  

Es zeichnet sich ab, dass dieses Schocktherapie-Prinzip zur Grundregel in der EU werden könnte: Portugal und Irland können schon ein Lied davon singen. Und das  „Economic Governance“- Paket soll rigide Kürzungspolitik unter Androhung von verschärften Sanktionen für alle Mitgliedstaaten festschreiben.  

Hier ist eine falsche „Governance“ im Anmarsch, bei der Rating-Agenturen und Finanzmärkte – noch stärker als jetzt schon – bestimmen, nach welchen Regeln gespielt wird. Demokratische Kontrolle wird dabei weitestgehend ausgehebelt.

Die Griechinnen und Griechen sind heute und morgen im Generalstreik. In diesem Zusammenhang frage ich Sie, Herr Präsident, was macht die EU, wenn das griechische Parlament morgen das Kürzungspaket ablehnt? Gibt es einen echten Plan B oder C?