Frankreich: primus inter pares?
EU-Kommission schiebt Vertragsverletzungsverfahren weiter vor sich her.
„Ein wichtiges EU-Mitglied verstößt seit Monaten gegen europäisches Recht. Dennoch zögert die EU-Kommission, ihrer Aufgabe als „Hüterin der Verträge“ nachzukommen und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich einzuleiten.
Von den Verstößen gegen europäisches Recht sind über achttausend Angehörige der ethnischen Minderheit der Roma betroffen. Dass die EU-Kommission seit Monaten herumlaviert ist beschämend. EU-Kommissarin Reding gab heute bei einer Anhörung im Innenausschuss des Europäischen Parlamentes bekannt, man wolle der französischen Regierung erneut bis zum 15. Oktober 2010 Aufschub gewähren, um die Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie zu garantieren. Auf der anderen Seite zögert die EU-Kommission nicht, Mitgliedstaaten wegen reduzierter Steuern für Rennpferde, der Mehrwehrtsteuer auf den Bowling Sport oder anderer für den marktwirtschaftlichen Wettbewerb wichtigen Vergehen zu ermahnen. Das ist absurd. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich wäre nicht nur aus formal rechtlichen Gründen, sondern auch aus politischen Gründen dringend notwendig. Die Regierung Sarkozy missachtet die gemeinsamen Regeln der Gemeinschaft und spuckt nationalistische Töne. Um die Glaubwürdigkeit der europäischen Wertegemeinschaft zu verteidigen und zu beweisen, dass große Gründerstaaten die Spielregeln genau wie alle anderen einzuhalten haben muss die EU-Kommission ihre Rolle als Hüterin der Verträge konsequent spielen. Respekt für Minderheiten und Akzeptanz der kulturellen Vielfalt sind Grundpfeiler unserer Gemeinschaft. Wir dürfen nicht zulassen, dass Populisten Ängste und Vorurteile der Bevölkerung in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise schüren und nach Sündenböcken für ihr eigenes innenpolitisches Versagen suchen.“ Brüssel, 29.September 2010