Lothar Bisky: „Warten wir den Montag ab.“

Heute vor 11 Jahren wurde Lothar Bisky aus dem Leben gerissen. Die Nachricht war für die Familie, die Freunde, viele Genossinnen und Genossen ein Schock.

Der langjährige Parteivorsitzende der PDS, Mitbegründer der LINKEN, einer der Vorsitzenden der Europäischen Linken und der Fraktionsvorsitzenden der GUENGL war vor allem ein nachdenklicher Mensch mit feinen Humor. Immer hatte man den Eindruck, dass da ein Wissenschaftler vom einsamen Schreibtisch in die Politik geschleudert wurde und noch immer staunen konnte, wie unversöhnlich es in den politischen Sphären oft zuging, wie wenig kooperativ und lösungsorientiert. Das empfand Lothar Bisky nicht nur als Kinderkrankheit der Linken, auch zwischen allen demokratischen Parteien sah er mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit. So schlug er einst ganz unerwartet nach der Agenda 2010 einen Sozialgipfel aller Parteien zur Prime Time im Deutschen Fernsehen vor, auf den damals sogar noch eine Westerwelle-FDP wohlwollend, wenn auch folgenlos, reagierte. Angesichts der heutigen Konstellationen mit einer starken Rechtsextremen europaweit, die die soziale Fragen auf wenige Menschen amputieren und für sich reklamieren und die ökologischen Herausforderung gleich ganz ignorieren, ist das allein schon eine Erinnerung wert. Politische Projekte sind ohne politische Kooperationsfähigkeit schon beerdigt, bevor sie über ihre Proklamation hinausgekommen sind und öffentlich diskutiert werden.

Lothar Bisky war jedoch nicht nur der Nachsichtige, Freundliche und strategisch denkende Vorsitzende. Er war auch streng mit sich und den Herausforderungen, die in einer ungerechten und instabilen Welt zum Handeln herausforderten. Gleich zweimal hatte er die Wissenschaftskarriere an den Nagel gehängt, um politisch aktiv zu sein. Ganz wichtig für ihn waren im Konzert der politischen großen Themen dabei immer auch Medien- und Kulturpolitik, die einen Rahmen für alles zu schaffen hatte, in dem wir unsere Gegenwart und Zukunft hart, manchmal verwirrend und immer offen diskutieren. Andererseits wusste er sehr gut, welch marginale Rolle diese Politiken spielten. Trotzdem wurde er nicht müde zu betonen, dass seine Lieblingsfilme von Doktor Schiwago bis zu Kubricks A Clockwork Orange reichten.

Warum es ihm ausgerechnet der sowjetische Film „Warten wir den Montag ab“ (1968), heute würde man sagen – ein coming age Drama um menschliche Aufrichtigkeit -, so angetan hatte, dass er die Titelzeile auch oft im Alltag nutzte, wenn schwierige Situationen unlösbar schienen, ist vielen, die in Ostdeutschland zu DDR-Zeiten sozialisiert wurden, nachvollziehbar. Die neue Arbeitswoche begann… Er hatte sogar das Schlusskapitel seines Buches „So viele Träume“ danach benannt. Dieser Satz  verwies nicht nur für ihn auf die vielen Baustellen linker Geschichte und Bewegungen, die wir jedoch ohne ein vertieftes Geschichtsverständnis nicht bewältigen werden. Dabei hatte er jedoch ein Verhältnis zu seiner besonderen West-Ost-Biografie, die wirklich mehr als des Erinnerns wert ist. Ihm ging es z. B. bei dem Thema Ostdeutschland nicht um profane Anerkennung der Biografien, sondern um ein tiefes Verständnis des Zusammenlebens in einer krisengeschüttelten Region, die kaum die eigenen Deutungen in der Hand hatte. Doch letztlich interessierten ihn diese Erkundungen nur insoweit sie etwas zu Tage förderten, was einer Idee eines solidarischen Denkens und Handels entgegenkam, was für ihn Lebensfreude, Rockmusik und gute Filme einschloss. Und dann war ihm der Blick über jeden ostdeutschen Tellerrand doch der Liebste, dann war er ein kultureller und politischer Internationalist, denn nur so ließe sich die Welt einigermaßen verstehen.

An Lothar Bisky zu erinnern, bedeutet nicht nur am 13. August innezuhalten, Kräfte zu sammeln, Analysen tatsächlich in Praxis zu verwandeln. Das können Linke derzeit europaweit gut gebrauchen, mitten drin DIE LINKE, die einen wahrlich steinigen Weg vor sich hat.