Die Linke im Europaparlament setzte sich für eine sozialgerechte Inflationsbekämpfung ein, die die zugrundeliegenden Verteilungskonflikte klar benennt!

Die gegenwärtige Inflation und die damit verbundene Krise der Lebenshaltungskosten hat verschiedene Ursachen, die jedoch in ihrer Gesamtheit als Krise der Globalisierung bezeichnet werden können. Der wohl wichtigste Faktor ist die Energiekrise, die unter anderem auf eine verfehlte Politik der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, ein verfehltes Energiemarktdesign und ungezügelte Finanzspekulationen zurückzuführen ist. Der häufig verwendete Begriff „Gierflation“ weist jedoch auf einen weiteren wichtigen Inflationstreiber hin: In einigen Wirtschaftsbereichen können Unternehmen aufgrund ihrer Marktmacht die Preise über die Kostensteigerungen hinaustreiben. Wie in einer Veröffentlichung des Internationalen Währungsfonds von 2023 erklärt, sind „steigende Unternehmensgewinne für fast die Hälfte des Anstiegs der Inflation in Europa in den letzten zwei Jahren verantwortlich, da die Unternehmen ihre Preise stärker anhoben als die Kosten für importierte Energie“.

In Deutschland ist eine derartige Gierflation vor allem in den Wirtschaftsbereichen Baugewerbe, Landwirtschaft, Handel, Logistik und Gastgewerbe zu verzeichnen. Die Gewinne in Sektoren mit geringer Inflation sind zwischen 2021 und 2022 (nominal) um 34 Milliarden € gestiegen, die der inflationsintensiven Sektoren dagegen um 94 Milliarden. Die Sektoren mit hoher Inflation verbuchten also (nominal) einen um 60 Milliarden € höheren Gewinnanstieg als alle anderen Sektoren, obwohl diese Sektoren nur ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung produzieren.

Die steigenden Einnahmen kommen jedoch nicht den Lohnempfänger:innen zugute, sondern in erster Linie als Gewinnsteigerungen den Eigentümer:innen der Unternehmen. Insgesamt müssen die Arbeitnehmer:innen in Deutschland zwischen 2020 und 2022 durch die dramatischen Preissteigerungen sogar starke Reallohnverluste hinnehmen. Große Teile der Bevölkerung in Deutschland werden also ärmer. Inflation ist also ein Verteilungskonflikt, der derzeit von mächtigen Konzernen ausgetragen wird.

Die derzeitige Strategie der Inflationsbekämpfung über die Zinspolitik der Zentralbank (und voraussichtlich über Ausgabenkürzungen des Staates) geht an den Ursachen vorbei und ist sozial und ökologisch schädlich. Eine undifferenzierte Politik allgemeiner Zinserhöhungen kann weder das Problem der Energiekrise noch das der Marktmacht lösen. Zinserhöhungen sind sogar kontraproduktiv, weil sie notwendige Investitionen in erneuerbare Energien und in eine kohlenstofffreie Industrie erschweren. Zudem bremsen sie das Wirtschaftswachstum und verschlechtern die Beschäftigungsaussichten. Das wiederum schwächt die Verhandlungsposition der Beschäftigten und fördert letztlich die Umverteilung von unten nach oben.

Die Linke im Europäischen Parlament setzt sich dagegen für eine sozial gerechte Inflationsbekämpfung ein, die differenziert an den tatsächlichen Ursachen ansetzt, nach Wirtschaftssektoren unterscheidet und die Interessen der abhängig Beschäftigten verteidigt. Die Verantwortung dafür kann nicht auf die Zentralbank verlagert werden, sondern liegt in erster Linie bei der Regierung.

Wir fordern eine permanente Übergewinnsteuer für alle relevanten Wirtschaftsbereiche, um der Gierflation die Triebkraft zu nehmen. Die Löhne müssen durch eine Lohnindexierung wie in Belgien an die Inflation gekoppelt werden, um Armut trotz Arbeit zu bekämpfen. Die Spekulation mit Rohstoffen muss eingedämmt werden. Übermäßige Preissteigerungen können wir durch spezifische Preiskontrollen, wie wir sie aus der Miet-, Energie- und Arzneimittelpolitik kennen, begrenzen.

Darüber hinaus fordern wir eine grundlegende Reform des Wettbewerbsrechts in der EU, um konsequent gegen Marktmacht und unfaire Preisgestaltung vorgehen zu können. Die EU-Wettbewerbspolitik ist derzeit zu tolerant, wenn nicht sogar unterstützend gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen und fragwürdiger Preissetzung. Die EU-Wettbewerbspolitik muss sich stärker darauf konzentrieren, die Marktmacht von Konzernen durch Entflechtung zu brechen, anstatt darauf zu hoffen, dass Konzerne ihr Verhalten durch Bußgelder oder ähnliches ändern. Zudem leidet das Wettbewerbsrecht an einem verengten technokratischen Tunnelblick, der andere wichtige gesellschaftliche Ziele wie das Recht auf angemessene Ernährung vernachlässigt.