Europa vor Ort: Sozialproteste nach rechts abgrenzen und die sozial-ökologische Transformation in der Region planen
Martina Michels war Gast der Klausur der Landtagsfraktion der LINKEN in Sachsen-Anhalt
In der letzten Woche des August fuhr Martina erneut nach Sachsen-Anhalt, geradewegs in das Gartenreich Dessau-Wörlitz. In unmittelbarer Nähe zum Schloss Wörlitz tagte die Landtagsfraktion der LINKEN Sachsen-Anhalts und hatte Martina als ihren ständigen Gast geladen, damit die europäische Perspektive der Landtagspolitik auch aus Brüsseler Sicht vertreten ist. Nach der regulären Fraktionssitzung am Montagvormittag stellten unterschiedliche Projektgruppen Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit vor und entwarfen und diskutierten neue Herausforderungen. Dazu waren teilweise auch Gäste geladen oder digital zugeschaltet. Dabei ging es zum Beispiel in der Projektgruppe „Solidarisches Sachsen-Anhalt“ um den Entwurf eines neuen Vergabegesetzes, welches dem CDU-Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalts ungewöhnliche Eingriffsrechte einräumt.
Diskutiert wurde in der Projektgruppe „Bürgerrechtspolitik und Antifaschismus“ u. a. die Frage, wie sich wachsende Existenznöte und eine aufkommende Wut gegenüber der ungerechten Verteilung im Land, gegenüber den steigenden Preisen bei Heizung, Strom und in der Lebenshaltung in Proteste einbinden lassen, die nicht von den Rechten für ihre einfachen und menschenverachtenden Antworten insbesondere gegenüber Migrant*innen gekapert werden. Sind dazu Montagsdemos geeignet oder sollte auf einen anderen Wochentag orientiert werden? Ale schauen inzwischen auf die, vom Leipziger direkten gewählten Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann und der Bundestagsfraktion geplanten Kundgebung am Montag, dem 5. September 2022, bei der die klare Abgrenzung nach rechts schon im Vorfeld problematisch lief.
In der durch die Projektgruppe „Wirtschaftlicher und technologischer Wandel“ angeregten Diskussion wurde konstatiert, dass die LINKE im Landesparlament dauerhaft versucht akute Brände zu löschen, es aber auch langfristige Antworten auf die Frage geben muss, wie die Erde bewohnbar bleibt. So werden bei der geplanten Intel-Ansiedlung in Magdeburg sicher viele Arbeitsplätze geschaffen. Damit sind jedoch entscheidende Fragen noch unbeantwortet: Ist für solch eine Industrieansiedlung größeren Ausmaßes überhaupt genügend Wasser da, wenn im Gegenzug massive Versiegelungen stattfinden? Wie organisieren sich die Verkehrsströme im Zuge solcher Ansiedlungen. Ein „Durchwinken“ einer nötigen Ansiedlungspolitik ohne Beantwortung solcher Fragen, wird es mit der linken Fraktion nicht geben.
In der Projektgruppe „Ostdeutsche Interessenvertretung“ stellte Stefan Gebhard ein Diskussionspapier zur Zukunft des ostdeutschen Rundfunks vor, das auf die inzwischen auch öffentlich sichtbare Krise des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (ÖRR) reagiert. Als Aufgabe der LINKEN verfolgt er im Ansatz die Stärkung des ÖRR innerhalb des dualen Mediensystems in Deutschland, verweist aber auch auf dringend notwendige Veränderungen in Themenvielfalt, Finanzen, Personal und Strukturen. Sein Vorschlag, über eine neu zu gründende Sendeanstalt für alle sechs östlichen Bundesländer nachzudenken, wurde eher skeptisch aufgenommen.
Am Dienstagvormittag ging es um die strategische Ausrichtung der LINKEN, die richtigen Themensetzungen, die Fokussierung auf Kernkompetenzen, die Schaffung notwendiger Erzählungen und deren mediale Vermittlung. Herausgearbeitet wurde, dass sich Wählende eher über Werte binden, weniger über Inhalte. Die Hauptthemen der LINKEN sind derzeit die ausbleibende soziale Gerechtigkeit angesichts der Energiepreis-Krise. Solidarität als Grundprinzip aller politischen Vorschläge der LINKEN stand hier im Mittelpunkt.
Die ebenfalls als Gäste anwesenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion DIE LINKE., Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch, verabschiedeten gemeinsam mit den Gastgebern die „Wörlitzer Erklärung“.
Wichtig für alle waren natürlich auch die Gespräche und Verabredungen in den Pausen und am Abend – Gelegenheiten, die es im laufenden Politbetrieb zu selten gibt. Die über einstündige Besichtigung des komplett restaurierten Schlosses Wörlitz, bekannt als Gründungsbau des deutschen Klassizismus, wird vielen in Erinnerung bleiben.