Herr Jansa,reden wir über Demokratie!

Martin Schirdewans Rede zum Beginn der slowenischen Ratspräsidentschaft im Europaparlament in Straßburg.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident! Nachdem die politische Rechte Sie in der Debatte jetzt doch sehr geschont hat, Sie selbst aber dafür bekannt sind, lieber mit dem Degen als mit dem Florett zu fechten, werde ich Ihnen die Freude einer politischen Auseinandersetzung nicht vorenthalten wollen.

 

Ihre Regierung übernimmt die Ratspräsidentschaft in einer für die EU schwierigen Zeit. Die EU kämpft noch immer mit der Pandemie und ihren Folgen. Und leider beginnt die Ratspräsidentschaft gleich mit einem Eklat, dem höheren Nachhallen beleidigender Aussagen: Einer der Vizepräsidenten der Kommission verweigert ein Gruppenbild. Am nächsten Tag geht ein anderer Vizepräsident dann mit Ihnen gemütlich wandern. Frau von der Leyen, manchmal frage ich mich: Was ist da eigentlich im Hause Berlaymont los?

 

Aber, Herr Janša, Sie haben viele Themen angerissen. Lassen Sie mich dennoch vor allem über Demokratie mit Ihnen reden. Ich denke, dass die slowenische Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, aus unabhängiger journalistischer Quelle informiert zu werden. Und dass Sie der unabhängigen Nachrichtenagentur die Förderung verweigern, ist ein politischer Skandal. Und auch wenn man nicht immer mag, was berichtet wird, muss man doch als Politiker Kritik aushalten. Und auch wenn Sie persönlich vielleicht Twitter als Verkündungsorgan bevorzugen – die Unabhängigkeit der Medien und die Pressefreiheit, Herr Ministerpräsident, sind in einer Demokratie unverzichtbar.

 

Ich denke auch, dass die slowenische Bevölkerung ein Recht auf das Funktionieren einer unabhängigen Justiz hat. Dass Ihre Regierung einige der Richterinnen im Land als politisch befangen darstellt, sagt vor allem etwas über Ihr eigenes Verhältnis zur Unabhängigkeit der Justiz aus. Und dass die Europäische Staatsanwaltschaft noch immer auf die Benennung der europäischen Staatsanwälte aus Slowenien warten muss und ihre Arbeit deshalb nicht aufnehmen kann, ist völlig inakzeptabel. Die Arbeit einer unabhängigen Staatsanwaltschaft z. B. gegen Korruption stärkt das Vertrauen in den Rechtsstaat und in demokratische Politik. Ihre Weigerung untergräbt dieses Vertrauen.

 

Ich denke, dass Demokratie vom kulturvollen Meinungsstreit lebt. Die Verächtlichmachung der demokratischen Opposition führt zu einer Verrohung der politischen Debatte und Kultur. Die USA unter Donald Trump waren kein Vorbild demokratischer Kultur – ganz im Gegenteil: Sie sind uns Mahnung. Und die EU—Mitgliedstaaten, insbesondere aber eine amtierende Ratspräsidentschaft, sollten diesem Weg nicht folgen.

 

Ich denke weiterhin, dass Geflüchtete ein Anrecht auf Schutz in der EU und auf die Einhaltung internationalen Rechts haben. Das gilt für Slowenien genauso wie für jeden anderen Mitgliedstaat. Geflüchtete begrüßt man nicht mit Stacheldrahtzäunen und Fußtritten, sondern mit Mitgefühl.

 

Kurzum, Herr Ministerpräsident, ich freue mich, dass Slowenien Mitglied der EU ist und Sie jetzt die Ratspräsidentschaft innehaben und große Herausforderungen vor Ihnen liegen. Ich bezweifele aber, dass es unter den heutigen innenpolitischen Zuständen Mitglied hätte werden können. Sie können Ihre Ratspräsidentschaft dennoch nutzen, um zu helfen, die aktuellen politischen Herausforderungen zu bewältigen. Sie können die europäische Demokratie stärken, oder aber Sie setzen Ihren politischen Kurs fort. Dann werden Sie in uns Kritiker finden, die auch mit dem Degen zu fechten wissen.