„Jahr der Schiene 2021“: Linke im EP für mehr Nachtzüge, Ausbau regionaler Strecken und einheitliches Ticketsystem
Im März schlug EU-Kommission vor, 2021 zum europäischen Jahr der Schiene zu machen. Solch ein Kampagnenjahr kann dazu dienen, Züge als nachhaltige, innovative und sichere Transportmittel zu präsentieren und über künftigen Verbesserungsbedarf zu beraten. Der Europäische Green Deal legt für die EU das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 fest. Da der Verkehr ein Viertel der Treibhausgasemissionen der EU ausmacht, wird der Eisenbahnsektor eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung dieses Ziel spielen. Das Europäische Jahr der Schiene bietet Gelegenheit, eine EU-weite und konstruktive Debatte über die künftigen Herausforderungen aller Verkehrsträger und über die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Verkehrspersonal und Fahrgästen zu eröffnen. Wie solch ein Kampagnenjahr aussehen und organisiert werden soll, legt ein EU-Gesetz fest.
Weil der Schienenverkehr natürlich eine wichtige Rolle für die Regionen und Kommunen spielt, erstellt auch der Ausschuss für regionale Entwicklung seine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf über das „Europäische Jahr der Schiene 2021“. Als Autorin der Stellungnahme hat die linke Europaabgeordnete Martina Michels die folgenden Überlegungen, Kritikpunkte und Vorschläge in die Ausschussdebatte eingebracht:
Der Vorschlag und das Ziel, die Bemühungen zur Erhöhung des Anteils von Fahrgästen und Gütern auf der Schiene zu befördern, ist absolut begrüßenswert. Die Schaffung und Verbesserung nachhaltiger, umweltfreundlicher und energieeffizienter Verkehrsträger muss ein wesentlicher Bestandteil der Strategie der EU zur Bekämpfung des Klimawandels sein. Dabei spielt die EU-Kohäsionspolitik bei der Verbesserung der Binnen- und grenzüberschreitenden Eisenbahnnetze der EU eine wichtige Rolle, insbesondere in den weniger entwickelten und ländlichen Regionen sowie Grenzgebieten.
Der COVID-19-Ausbruch hat die gesamte EU betroffen und auch erhebliche Auswirkungen auf Verkehr, Beschäftigung und Vernetzung in der EU. Umso mehr ist das Europäische Jahr der Schiene als eine wichtige Gelegenheit, Strategien zur Verbesserung der Eisenbahnpolitik der EU zu untersuchen.
Doch Fehlentwicklungen hat es auch ganz ohne Conrona-Krise gegeben. Die Liberalisierungsbestrebungen und Schuldenbremsen aufseiten der EU und ebenso der Mitgliedstaaten haben weder das Versprechen guter, universeller und preisweiter Bahnverbindungen für alle einhalten können noch zum Erhalt guter Arbeitsplätze beigetragen.
Im Gegenteil. Wichtig erscheint uns, dass lokale und regionale Schienenstrecken nicht weiterhin abgebaut oder kleine Bahnhöfe geschlossen. Vielmehr müssen sie reaktiviert und ausgebaut werden. Nachtzüge sind vielerorts ebenfalls verschwunden. Dass sie nun wiederentdeckt werden, sollte die EU unbedingt unterstützen. Investitionen in physische und digitale Infrastrukturen und Dienstleistungen werden nicht nach Notwendigkeit, sondern nach Aktienwert getätigt – oder eben nicht getätigt. Preise steigen nicht nur, es gibt auch kein zentrales Buchungssystem, das den Ticketkauf für die verschiedenen Schienenverkehrsangebote bündelt oder eine gemeinsame, vielleicht gar EU-weit gültige Bahncard anböte. Das Primat des Wettbewerbs und der Kapitalmarktfähigkeit taugt also nicht für Leistungen öffentlicher Daseinsvorsorge. Verbraucherfreundlich und inklusiv ist es schon gar nicht.
Es ist also viel zu tun, damit der Schienenverkehr eine echte Alternative zu individuellen Verkehrsträgern sowie zu Kurz- und Mittelstreckenflügen werden kann. EU, Mitgliedstaaten, die Regionen und Kommunen sowie Bahnunternehmen, Fahrgastvereinigungen, Arbeitnehmervertreter, Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen sollten daher das Jahr der Schiene nutzen, um gemeinsam gute Lösungswege vorzubereiten. Das ist nicht nur aus ökologischen Gründen wünschenswert. Die grenzüberschreitende Dimension der Schiene kann Bürger*innen näher zusammenbringen und ermöglicht, die Union in all ihrer Vielfalt und ihrem kulturellen Reichtum zu erkunden. Durch bessere Verbindungen würde auch der soziale, wirtschaftliche und nachbarschaftliche Zusammenhalt gefördert. Investitionen in Infrastruktur und moderne, bequeme und umweltfreundliche Schienenfahrzeuge würden Bahnreisen und -transporte nicht nur attraktiver machen und nachhaltigen Tourismus unterstützen, sondern auch dem Erhalt und der Schaffung zukunftsfähiger guter Arbeitsplätze dienen.
Der REGI-Ausschuss wird im Juli über seine Stellungnahme abstimmen und diese dem federführenden Ausschuss für Transport und Tourismus (TRAN) übermitteln. Im Plenum werden die Europaabgeordneten voraussichtlich im September über das Gesetz entscheiden.
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Martina Michels: Entwurf der Stellungnahmen des REGI-Ausschusses (aktuell nur auf Englisch)
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Vorschlag der EU-Kommission und Erläuterungen: „Nachhaltige Mobilität: 2021 soll das Europäische Jahr der Schiene sein“