Das gestrige Sondertreffen der 27 EU-Innenministerien anlässlich der erneuten Eskalation an der EU-Außengrenze zur Türkei kommentiert Cornelia Ernst, migrations- und innenpolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament:

„Erhöhte FRONTEX-Kontingente, ein größeres Polizeiaufgebot und eine weitere Militarisierung der Außengrenzen sind also einmal mehr die einfallslosen Rezepte der verantwortlichen Ministerien. Außerdem solle sich die Türkei doch bitte wieder an den schäbigen Pakt zur Migrationsabwehr halten. Das teilweise martialische Vorgehen der griechischen Polizeibeamten mit bisher mindestens einem Toten wird als etwaige Fake News abgetan und ganz eventuell möchte man irgendwann versuchen, eine ‚Koalition der Willigen‘ zu schmieden, die dann ein paar Minderjährige aufnehmen soll. Aber zuerst sollen die Außengrenzen versiegelt werden, mit Stacheldraht, Wärmebildkameras und Tränengas. Diese Reaktionen sind eine Schande, denn alles folgt der Devise: Wir befinden uns im Krieg gegen Schutzsuchende.“

„Es waren die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, die sich auf diesem Pakt ausruhten und die EU-Asylpolitik sich selbst überließen. Es waren die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, die es in vier Jahren nicht für nötig hielten, endlich sichere Fluchtwege einzurichten oder humanitäre Visa zu gewähren. Es waren die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, die ihre Zusagen zur Umsiedelung wieder und wieder nicht einhielten. Und vor allem sind es die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, die sich seit über zwei Jahren weigern, mit dem Parlament in Verhandlungen für ein neues EU-Asylsystem zu treten. Das Verhalten der Verantwortlichen in den nationalen Regierungen ist zynisch, ignorant und selbstgerecht.“

„Erdoğan war, ist und bleibt ein skrupelloser Despot, das wussten alle Beteiligten von vornherein. Mit so jemandem schließt man keine Abkommen, auf so jemanden verlässt man sich nicht – schon gar nicht, wenn es um Menschenleben geht. So sehr ich verabscheue, wie hier individuelle Schicksale für politische Zwecke missbraucht werden, so sehr liegt die Hauptschuld für dieses humanitäre Desaster aber auch in den Hauptstädten der EU-Mitgliedstaaten, nicht in Ankara. Ich fordere von den EU-Staats- und Regierungschefs- bzw. Chefinnen, unverzüglich zurück an den Verhandlungstisch mit dem Parlament zu kehren und endlich ein EU-Asylsystem einzurichten, das einen solchen Namen auch verdient, indem es geltendes Recht nämlich schützt, und nicht zur Unkenntlichkeit aushöhlt. Bis dahin müssen größtmögliche Kontingente von der griechisch-türkischen Grenze aufgenommen – nicht nur Minderjährige – und auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Willige Kommunen gibt es schließlich zu Hauf und deren Bereitschaft sollte nicht von den Regierungen missachtet werden. Griechenland braucht jetzt THW-Freiwillige, Mitarbeitende des Roten Kreuz und hunderte Asylbeamte, keine Militärs oder hochgerüstete Polizei. Wir haben hier eine humanitäre Katastrophe zu lindern, nicht Krieg zu führen!“