Presseschau: Der Streit um die Urheberrechtsreform

Interview vom EuropaBlog mit Martina Michels

„Der Konflikt um die EU-Urheberrechtslinie spitze sich derzeit zu. Im Mittelpunkt der Debatte stehen die Artikel 11 und 13 der Richtlinie. Aber auch andere Aspekte der Richtlinie sind nicht unumstritten. Die Europaabgeordnete Martina Michels (Die Linke) erläutert in dem folgenden Interview noch einmal, um was die Debatte geht, wie sich Die Linke im Europäischen Parlament aus welchen Gründen wie in der Debatte positioniert hat und wie Alternativen aussehen könnten.

Derzeit sieht es so aus, dass es doch bei dem ursprünglichen Abstimmungstermin im Europäischen Parlament bleibt. Nur wenn das Parlament dem vorliegenden Kompromiss mit dem Europäischen Rat zustimmt, tritt die Richtlinie auch in Kraft. Stimmt das Parlament nicht zu, dann muss die Richtlinie neu verhandelt werden oder sie kommt schlicht nicht zustande.

Für den 23. März sind europaweite Demonstrationen vor allem gegen die Artikel 11 und 13 der EU-Urheberrichtlinie geplant.

Europa.blog: Wie steht Die Linke (plus GUE/NGL insgesamt) im EP zur EU-Urheberrechtsrichtlinie?

Martina Michels: Wir haben von Beginn an begrüßt, dass – vor allem die Ausnahmen vom Urheberrecht – in der Bildung, der Wissenschaft und beim Kulturerbe – (derzeit Art. 3 – 5) harmonisiert werden und auch, dass Fragen der miesen Bezahlung von Kreativen in einem fairen Ausgleich mit Rechten von Nutzerinnen und Nutzern von Sharing- und Videoplattformen, die im Übrigen auch sehr kreativ sein können, angegangen werden. Dass uns dabei das in Deutschland und Spanien gescheiterte Leistungsschutzrecht der Presseverleger erneut ins Haus steht, war schon die erste Überraschung, die Ende 2015 greifbar wurde. Mit der verbindlichen Einführung von automatischer Erkennungssoftware als Mittel der Wahl, um Urheberrechtsverletzungen schon beim Upload zu unterbinden – den sogenannten Uploadfiltern – kam dann ebenfalls ein Vorschlag von Seiten der Kommission auf den Tisch, der das Herz der Musik- und Filmindustrie höherschlagen ließ, aber zurecht Daten- und Grundrechtsaktivistinnen auf den Plan rief. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und ein von der Kommission zurückgehaltenes Gutachten finden diesen Lösungsvorschlag zum Schließen der Einkommenslücken fatal und warnen vor der Einführung einer Zensur- und Überwachungsstruktur, die auch noch gesetzlich in die Verantwortung privater Hände gelegt werden soll. Dies ist keine Lösung des eigentlichen politischen Konflikts, der sich mit neuen Bezahl- und Lizensierungsmodellen lösen ließe, sondern eine Kanone auf die freie Kommunikation im Netz.

Derzeit genießen wir weitgehend die Freiheit zu berichten, zu parodieren, zu zitieren, Material im Remix zu bearbeiten. Trotzdem können zugleich Urheberrechtsverletzungen im Netz zur Anzeige zu gebracht und juristisch zu verfolgt werden. Doch das Narrativ vom „gesetzlosen Netz“ scheint mit den, auf die Art. 11 und 13 reduzierten Debatten bei den Befürwortern der Richtlinie wieder große Beliebtheit erlangt zu haben.

Europa.blog Letzte Frage: Wie schätzt du die Wirkungen der bisherigen Proteste gegen die EU-Richtlinie ein? Werden sie zur Ablehnung der Richtlinie im Europäischen Parlament reichen?

Martina Michels: Also wünschen würde ich mir das schon, dass die Proteste dazu führen, dass viele Abgeordnete erkennen, dass man hier vielleicht noch einmal auf Anfang gehen sollte und eine sachbetonte Neuverhandlung allen, den Kreativen, den Rechteverwertern, der Industrie und den Nutzern gut tun würde. Derzeit wird man ja das Gefühl nicht los, dass sich die Chefetagen von Facebook, Google und Youtube, wenn auch offiziell gegen die Vorschläge, gemütlich im Sessel sitzen und Popcorn kauen. Sie scheinen, obwohl sie doch gerade eingehegt werden sollten, die Gewinner der Scheinlösungen zu sein.

Ich kann alle nur ermuntern zum europaweiten Aktionstag am 23.3.2019 zu gehen und die Abgeordneten des Europaparlaments aufzufordern gegen Art. 11 und 13 zu stimmen. Auf https://savetheinternet.info/ sind alle Demoorte zu finden auch die Petition gegen die EU-Urheberechtsrichtlinie, die derzeit schon fast 5 Millionen Menschen unterschrieben haben. So eine Abstimmung wie bei ACTA 2012, das dann letztlich auch vom Parlament abgelehnt wurde, und u.a. auch mit dem Urheberrecht zu tun hatte, würde der europäischen demokratischen Debatte um die besten Lösungen wirklich nützen. Ich werde in Erfurt oder Berlin an diesem Tag sein und auch mit demonstrieren.“

Das vollständige Interview findet sich beim EuropaBlog online.