Flüchtlinge: Wir brauchen die Lösung jetzt, nicht irgendwann!

Gabi Zimmer, Fraktionsvorsitzende der GUE/NGL, zur Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 28./29. Juni 2018 (Aussprache)

Gabriele Zimmer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – Herr Präsident! Wir reden hier im Europäischen Parlament wieder wenige Tage vor dem nächsten Gipfel miteinander, mit der Kommission und mit der gegenwärtigen Ratspräsidentschaft. Wir können eigentlich nur festhalten, dass es inzwischen eine ritualisierte Form ist, wir uns jedes Mal hier treffen, anschließend nach dem Gipfel wieder ein Treffen haben und konstatieren: Wir sind keinen Schritt weitergekommen!

Ich denke, das hat auch etwas damit zu tun, wie Politik sich sowohl in den Mitgliedstaaten, aber auch in den EU-Institutionen gegenwärtig darstellt. Wir nehmen viel zu wenig zur Kenntnis, was sich in unseren Gesellschaften, in den Mitgliedstaaten, in der EU tut und was sich auch außerhalb der EU tut. Ein Großteil der Menschen ist von außerhalb unserer Politikangebote, die wir unterbreiten. Und wir lassen es zu, dass letztendlich die gesamte Problematik, auch die der Migrations-, der Asylkrise, innerhalb der Europäischen Union, die Unfähigkeit, wirklich gemeinsame Solidarität zu entwickeln und sich verantwortlich zu fühlen, dazu führt, dass wir Rechten, Rechtspopulisten, Rechtsextremen, Nationalisten den roten Teppich ausrollen und sie letztendlich einladen, den Menschen, die in Armut leben, etwas weiszumachen, sie zu missbrauchen, ihre Not zu missbrauchen, um letztendlich zu sagen: Diese Gesellschaften sind gespalten, und wir müssen uns gegen den Solidaritätsgedanken zur Wehr setzen. Ich denke das kann und darf nicht so bleiben. Wir haben hier eine gemeinsame Verantwortung.

Und mit Blick auf das Schiff, die Aquarius: Ja, Dank an Spanien und auch – wie ich zwischenzeitlich gehört hatte – an die Landesregierung von Korsika, hier helfen zu wollen. Aber eines wird wirklich deutlich: Wir können nicht glauben, dass wir tatsächlich mit nur spontanen Rettungsaktionen in der Lage sind, eine nachhaltige Politik der Europäischen Union zu entwickeln, die sich dem weltweiten Problem der Migration überhaupt stellt. Wir können auch – da sehe ich durchaus auch Unterschiede zwischen uns –, wir können doch nicht glauben, dass wir im Zuge der Dublin-Verhandlungen meinen, ein Abschottungssystem aufzubauen, das auch die pauschale Ablehnung von Asylbewerbern, von Flüchtlingen aus sogenannten „sicheren Drittstaaten“ umfasst, z. B. aus den Maghreb-Staaten. Wir müssen ebenfalls zur Kenntnis nehmen, dass offensichtlich die Deals mit der Türkei und mit Libyen auch weiter sehr problematisch bleiben.

Herr Verhofstadt, Sie haben vorhin eine ganze Reihe von Zahlen genannt. Ich möchte eine hinzufügen: Seitdem wir diese Deals haben, sind 3000 Menschen im Mittelmeer ertrunken beziehungsweise gestorben. Das gehört genauso zu einer realistischen Einschätzung, was wir können, was wir tun müssen, wozu wir verpflichtet sind.

Die bulgarische Präsidentschaft hat versucht, einen Vorschlag zu erarbeiten, den ich ebenfalls für nicht gelungen halte. Ich glaube nicht, dass es funktionieren wird, in einem dreistufigen Verfahren zu sagen: Nur in bestimmten Situationen kann man von anderen Ländern erwarten, dass sie sich mehr beteiligen sollen oder dass sie stärkere finanzielle Leistungen übernehmen sollen.

Das Kernproblem wird weiter bleiben. Sind die Mitgliedsstaaten bereit, eine Mindestzahl von Flüchtlingen gemeinsam aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass man in Krisensituationen gemeinsam und solidarisch miteinander handelt? Das muss unser Punkt sein! Dafür werden wir streiten! Dazu fordern wir alle auf! Wir brauchen die Lösung jetzt, nicht irgendwann! Wir können nicht noch weiter darauf warten, dass irgendwie eine Regierung sich erbarmt, ein Schiff aufzunehmen.

Wir haben grundsätzliche Regeln zu schaffen, und wir sollten Abstand davon nehmen, dass wir glauben, wenn wir Mauern errichten, dann richten sich diese Mauern nur nach außen – die richten sich auch nach innen. Was wir den einen nicht gestatten, ist auch eine Einschränkung von Freiheit in unserer Europäischen Union, in unseren Mitgliedstaaten. 

Straßburg, 12. 06. 2018