Interview mit Fabio De Masi in der Berliner Zeitung

Der Abgeordnete Fabio De Masi verlässt das Europaparlament und tritt als Spitzenkandidat der Hamburger Linken zur Bundestagswahl an. Im EU-Parlament war er Mitglied im Sonderausschuss zu den Luxemburg-Leaks zur Steuervermeidung und stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschuss um den Skandal zu den Panama-Papers. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung erklärt er, warum er den Neoliberalismus trotz weltweiter Konzentrationsprozesse für gescheitert hält und warum Sarah (sic!) Wagenknecht nicht mit der SPD kann.

Berliner Zeitung: Herr De Masi, warum verlassen Sie das Europaparlament und kandidieren für den Bundestag?

Fabio De Masi:  In Brüssel hat Deutschland die Hosen an. Wenn man die europäische Idee retten will, muss man Deutschland verändern.

Berliner Zeitung: Eigentlich heißt es, die Musik spielt in Brüssel.

Fabio De Masi: Aber getanzt wird nach Merkels Pfeife. Das EU Parlament kann Gesetze nicht selbst auf den Weg bringen. Wir haben kein Initiativrecht. Wir können nur Gesetze der Kommission abändern. Dann müssen wir uns mit den EU-Mitgliedsstaaten einigen. Da spielt Deutschland die erste Geige.

Berliner Zeitung: In Deutschland hat Sahra Wagenknecht die Brücken in die Luft gejagt, die zur SPD führen könnten. Will die Linke nur Opposition?

Fabio De Masi: Sahra Wagenknecht sagt seit Jahren, die SPD könne sofort den Kanzler stellen, wenn sie in die Infrastruktur investiert, wieder Ordnung auf dem Arbeitsmarkt herstellt, Millionenvermögen besteuert und Deutschland auf eine Entspannungspolitik in der Tradition Willy Brandts verpflichtet. Die Wahl gewinnen müssen die Sozialdemokraten aber schon selbst. Wir können nichts dafür, dass Martin Schulz trotz Bart nicht Jeremy Corbyn ist. Wenn es aber keine Mehrheiten gibt und kein erkennbares sozialdemokratisches Programm, finde ich die Debatte langweilig. Es gab in den letzten vier Jahren eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag. Bei der Ehe für Alle wurde sie zu Recht genutzt – warum nicht beim Verbot der sachgrundlosen Befristungen oder für mehr Steuergerechtigkeit ?

Berliner Zeitung: Dank der EU herrscht in Europa jahrzehntelang Frieden.

Fabio De Masi: Das schätzt niemand gering, auch wenn EU Staaten in Afghanistan, Syrien oder Libyen Chaos, Staatenzerfall, Terror und Flucht begünstigt haben. Daher ist die Verteidigungsunion ein Irrweg. Wir brauchen Abrüstung und eine neue Entspannungspolitik gegenüber Russland.

Berliner Zeitung: Trotz dieser Erfahrungen glauben Sie dass die neoliberale Ideologie scheitert? Klingt eher nach Zweckoptimismus.

Fabio De Masi: Ins Kissen heulen ist nicht mein Ding. Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Menschen messen Fortschritt an der eigenen Lebenszeit. Wenn man sich die letzten hundert Jahre ansieht, ist ein Kapitalismus ohne Krisen jedoch die Ausnahme. Am besten hat der Kapitalismus übrigens funktioniert als er nach dem zwei Weltkrieg geknebelt wurde.

Berliner Zeitung: Sie sind 37 Jahre. Wie lange wollen sie in der Politik bleiben?

Fabio De Masi: Ich werde immer ein politischer Mensch sein. Aber Abgeordneter ist man besser auf Zeit. Ich arbeite daher daran, dass ich von der Droge Politik wieder runter komme. Politik  macht auf Dauer krank. 

Berliner Zeitung: Wann hören sie auf?

Fabio De Masi: Ich habe einen Zettel in der Schublade. Da steht das drauf. Das verrät man aber nicht, sonst hat man in Berlin nichts mehr zu melden. Es ist aber in nicht allzu ferner Zukunft. Lasst Euch überraschen.

Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/28242852 ©2017

Das vollständige Interview von Kai Schlieter mit Fabio De Masi findet sich bei der Berliner Zeitung online.