Gastbeitrag von Sabine Lösing und Jürgen Wagner in der Jungen Welt

Vorgebliche Armutsbekämpfung. Wie die EU per Rechtsbeugung Militarisierung unter dem Mantel der Entwicklungshilfe betreibt.

„Die Bundesrepublik hat 2016 eine »Ertüchtigungsinitiative« ausgerufen. Sie sei, heißt es in einem »Arbeitspapier« einer Bundesakademie, anders als geunkt werde, kein Versuch, »Rüstungsexporte in Krisengebiete zu rechtfertigen«, sondern »ein vielschichtiges Instrument vorbeugender Sicherheitspolitik«.1 Dahinter stehe die Idee, »regionale Akteure in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit und Stabilität in ihrer Nachbarschaft zu sorgen«. Sie sei »Hilfe zur Selbsthilfe«: »Staaten oder Organisationen, die als Stabilitätsanker in fragilen Regionen dienen können, sollen dahingehend ausgebildet und befähigt werden. Neben Schulung und Ausbildung zivilen und militärischen Personals schließt das deutsche Konzept auch die Bereitstellung von Ausrüstung mit ein.« Schwerpunktländer sind gegenwärtig der Irak, Jordanien, Tunesien, Mali und Nigeria.

Auch die NATO »ertüchtigt«, vor allem im Rahmen des Einsatzes »Resolute Support« in Afghanistan, an dem Deutschland mit knapp 1.000 Soldaten beteiligt ist. Und unter dem Dach der Europäischen Union tragen 14 von 16 momentanen »Missionen« in der ein oder anderen Form zur »Kapazitätsbildung« bei, wie es im Brüsseler Jargon heißt. Bezahlt werden müssen solche EU-Einsätze derzeit allerdings noch überwiegend aus der nationalen Tasche – und genau das soll sich in Kürze ändern…

…Trotz der vielfältigen Bedenken gegenüber dem Legislativvorschlag der Kommission wurde er am 3. Juli vom Entwicklungsausschuss und am 11. Juli 2017 vom Auswärtigen Ausschuss des EU-Parlaments mehrheitlich angenommen. Damit ist nun der Weg für eine Plenarabstimmung zwischen dem 11. Und 14. September 2017 frei. Augenblicklich spricht wenig dafür, dass eine Mehrheit der Parlamentarier gegen das Vorhaben votieren wird.

Der Vorgang ist auch deswegen problematisch, weil interessierte Kreise seit Jahren auf eine Militarisierung der Entwicklungshilfe drängen. Hierfür könnte sich die ISP-Verordnung als ein wichtiges Mittel erweisen, wie unter anderem Martina Fischer von »Brot für die Welt« warnt: »In dieser Dynamik kommt der Umfunktionierung des EU-Instruments für Stabilität und Frieden eine ganz besondere Brisanz zu – nämlich als Präzedenzfall und Türöffner für mögliche weitere Umwidmungen« nach dem Ende des ISP Finanzierungsrahmens ab 2020.13

Diese Sorge ist alles andere als abwegig. Denn konservative EU-Abgeordnete wie Elmar Brok (CDU) frohlocken bereits, mit der Verabschiedung der Gesetzesinitiative werde eine generelle Trendwende hin zu einer Neuausrichtung der Entwicklungshilfe eingeläutet: »›Die klassische Entwicklungspolitik ist gescheitert‹, meint der CDU-Außenpolitiker. ›Die Entwicklungscommunity hat das nur noch nicht begriffen.‹ Entwicklung sei nicht ohne Sicherheit denkbar, was aber lange missachtet worden sei. Die Folge sei, so Brok, ›dass die bisherige Entwicklungspolitik in Afrika keine Verbesserung der Lage gebracht hat‹«.

Der vollständige Artikel ist bei der Jungen Welt online verfügbar.