Regionalausschuss befragt Kommission zu EFSI und Strukturreformprogramm
Wer profitiert vom EFSI?
Zum EFSI, den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen, und dessen Nutzen für die Regionen befragte der Ausschuss für Regionale Entwicklung am Dienstag den Kommissionsvize-Präsidenten Jyrki Katainen. Die Abgeordneten hätten gern mehr über konkrete Ergebnisse erfahren:
Profitieren KMU in den strukturschwachen Regionen da, wo Investitionen aufgrund der Krise besonders stark eingebrochen sind?
Gibt es auch die erhofften großen Investitionen in den strukturschwächeren Regionen?
Dient der EFSI also – wie es versprochen war – dem Ziel einer solidarischen EU-Regionalpolitik, nämlich die regionalen Entwicklungsunterschiede auszugleichen?
Werden die Bedingungen eingehalten, die für die Strukturpolitik gelten?
Martina Michels machte darauf aufmerksam, dass alle auf der Internetseite des EFSI aufgelisteten Großprojekte in Deutschland ein Fördervolumen von mindestens 100 Mio. haben und sich zudem alle sich keines davon in den neuen Bundesländern befindet. In Mittel- und Osteuropa gebe es ganze drei solcher Großprojekte. Es sei außerdem nicht nachzuvollziehen, wo und welche kleinen und mittelständischen Unternehmen von ESFI-Garantien profitieren, da es zwischengeschaltete Banken sind (in Deutschland u. a. die KfW und die Commerzbank), die durch die Absicherung über den EU-Haushalt zu Kreditvergabe ermuntert werden sollen.
Die vom Kommissar versuchten Erklärungen zu beiden Sachverhalten fielen wenig informativ aus. Es gebe wohl eine gute Hebelwirkung und 142.000 KMU würden nun Kredite erhalten – aber welche und wo? 90.000 sei hier das kleinstmögliche Projektvolumen, auf dass sich Förderbanken einließen. Für die direkt von der Europäischen Investitionsbank geförderten Vorhaben gelten 20 Mio. als Untergrenze. Erfreut hat einerseits die Aussage des Kommissars, der EFSI habe nicht und werde auch nicht zur Unterstützung von Nuklearenergieprojekten eingesetzt. Andererseits sind kürzlich völlig anderslautende Vorhaben der EU-Kommission bekannt und auch von linken Europaabgeordneten umgehend kritisiert worden.
EU-Fördermittel müssen bleiben – klar, oder?
Auch in dieser Sitzung stand REGI eine Reihe von Abstimmungen an, unter anderem über die regionalpolitischen Überlegungen zum künftigen mehrjährigen Haushaltsrahmen. Betont wird hierin, dass die EU-Strukturfonds und durch sie eine Politik der nachhaltigen Entwicklung und Solidarität der Regionen ein Schwerpunkt des Haushalts bleiben müssen. Was so simpel und notwendig klingt, ist leider nicht für alle politischen Akteure eine Selbstverständlichkeit in den aktuellen politischen Debatten um die Zukunft der EU. Die Regionalpolitikerinnen und -politiker sind sich darüber immerhin einig. Ebenso dazu, dass Zuschüsse weiterhin Priorität bei der Förderpolitik behalten sollen. Finanzinstrumente sollen nur nach Prüfung des Mehrwerts für die regionalpolitischen Zielstellungen und nur als zusätzliches Instrument zum Einsatz kommen. Es sei darüber hinaus wichtig, diesmal die Haushaltsberatungen rechtzeitig vor dem Start der nächsten Förderperiode abzuschließen, damit Planungsspielraum und -sicherheit gegeben sind. Bei der Reform des Haushalts und der Kohäsionspolitik sei darauf zu achten, die zur Vermeidung von Verschwendung erforderlichen Kontrollmechanismen in eine Balance zu bringen mit dringend notwendigen Vereinfachungen für Fördermittelempfänger und regionale Verwaltungen.
Strukturfondsmittel fürs Europäische Semester?!
Am Mittwochabend legte der Regionalausschuss nach der ebenfalls stattfindenden Plenartagung eine Spätschicht für eine Sondersitzung ein. Die EU-Kommission stellte ihren Vorschlag für ein „Programm zur Unterstützung von Strukturreformen in den EU-Mitgliedstaaten“ vor. Die Europaabgeordneten der Linksfraktion GUE/NGL waren – und bleiben – bei diesem Thema skeptisch, sowohl was Inhalt als auch die Finanzierung angeht.
„Sollen jetzt Strukturfondsmittel für die Umsetzung des Europäischen Semesters benutzt und die Kohäsionspolitik der „economic governance“ untergeordnet werden?“ fragte Martina Michels, regionalpolitische Sprecherin der LINKEN. im Europaparlament. Dies wäre eine Abkehr von den im Vertrag vereinbarten Zielen der Kohäsionspolitik und übrigens auch vom Subsidiaritätsprinzip: „Die Strukturfondsmittel sind für Investitionen in die regionale wirtschaftliche und soziale nachhaltige Entwicklung vorgesehen, nicht aber für Reformmaßnahmen der nationalen Regierungen auf Geheiß der Kommission.“ Wenn sich die Kommission auf positive Erfahrungen in Griechenland beziehe, sei das kaum vertrauenserweckend, denn oft handelt es sich bei den dort umgesetzten Strukturreformen um Liberalisierungen und Privatisierungen. Auch sei nicht erkennbar, nach welchem Prinzip Experten der Kommission oder internationaler Organisationen ausgewählt werden sollen. Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis betonte, es handle sich keineswegs um einen derartigen Versuch. Schaut man allerdings auf die Webseiten der Kommission findet man den Gesetzesvorschlag für das Unterstützungsprogramm für Strukturreformen ganz klar als Teil des aktuellen Pakets zum Europäischen Semester wieder.
Martina Michels ergänzte einen weiteren Aspekt: „Eine Umwidmung der Haushaltsmittel, die für technische Unterstützung in den Regionen bei der Umsetzung der Kohäsionspolitik vorgesehen sind, darf es nicht geben. Diese Mittel sind vor Ort bis 2020 vollständig verplant und erforderlich. Wenn da gestrichen würde, könnten wir aufhören, über die Umsetzung der Förderpolitik zu reden.“ Der Kommissar versicherte zwar, die den Mitgliedstaaten zugeteilten Mittel würden nicht angetastet. Dennoch äußerten sich Europaabgeordnete aus verschiedenen Fraktionen und Ausschüssen mit Unverständnis über den Finanzierungsweg. Wie kommt es überhaupt zu dem Vorschlag, Strukturfondsmittel für wirtschaftspolitische Maßnahmen einsetzen zu wollen? Das ist im EU-Haushalt eigentlich nicht vorgesehen. Im Übrigen sei es doch sehr überraschend, dass diese Mittel im sonst überstrapazierten EU-Budget, noch dazu in einem Politikbereich, der mit Zahlungsrückständen zu kämpfen hat, plötzlich frei verfügbar sein sollen.
Mit dem Gesetzesvorschlag sollen perspektivisch für technische Hilfe vorgesehene EU-Mittel aus den Struktur- und Investitionsfonds in Höhe von 142,8 Mio. zur Umsetzung von Strukturreformen in den Mitgliedstaaten eingesetzt werden. Die Kommission will auf Antrag eines Mitgliedstaats Unterstützung leisten bei der Durchführung von Reformen in den Politikbereichen Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Beschäftigung und Investitionen insbesondere bei Reformen in den Bereichen: a) Verwaltung der öffentlichen Finanzen, Haushaltsverfahren, Schuldenverwaltung und Steuerverwaltung; b) institutionelle Reformen und effiziente, dienstleistungsorientierte öffentliche Verwaltung, Rechtsstaatlichkeit, Reform des Justizwesens und verstärkte Bekämpfung von Betrug, Korruption und Geldwäsche; c) Rahmenbedingungen für Unternehmen, Entwicklung des Privatsektors, Investitionen, Privatisierung, Handel und ausländische Direktinvestitionen, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen, nachhaltige Entwicklung der einzelnen Sektoren und Innovationsförderung; d) allgemeine und berufliche Bildung, Arbeitsmarktpolitik, soziale Inklusion, Systeme der sozialen Sicherheit, öffentliches Gesundheitswesen und Gesundheitsversorgungssysteme, Asyl, Migration und Grenzmanagement; e) Landwirtschaftspolitik und nachhaltige Entwicklung ländlicher Gebiete; f) Politik für den Finanzsektor und Zugang zu Finanzierungen.
Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) hatte bereits im April eine kritische Stellungnahme verabschiedet.
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