EU-Parlamentarier haken nach

Die Europäische Zentralbank bezieht Internetnetdienstleistungen vom US-Anbieter Verizon, von dessen Kollaboration mit der NSA bereits des Öfteren berichtet wurde. Im Juni haben wir offen gelegt, dass der Bundestag Internetdienste von Verizon bezieht. Daraufhin kündigte das Innenministerium an, der Vertrag mit Verizon solle beendet werden.

Die Europäische Zentralbank zog keinerlei Konsequenzen, das wurde aus einer Nachfrage des linken EU-Parlamentariers Fabio de Masi bei Zentralbankpräsident Mario Draghi deutlich.

Die EZB nimmt die Gefahr von Wirtschaftsspionage sehr ernst. Sie wendet strikte Kontrollen und höchste Sicherheitsstandards an, um ihre Informationen und die ihr anvertrauten Daten zu schützen.

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Das Unternehmen Verizon stellt derzeit Dienste für die EZB auf zwei verschiedenen Grundlagen bereit: Ein Rahmenvertrag für die Bereitstellung verschiedener Internet-bezogener Dienste und ein Vertrag im Zusammenhang mit der Bereitstellung bestimmter “Business Continuity Services“. Verizon stellt keinerlei Telefoniedienste zur Verfügung.

Im Zuge einer wiederholten Abwägung dieser Verträge und in Anbetracht der Interaktion mit dem Betreiber sieht die EZB keine notwendigkeit, diese Vereinbarungen aufzukündigen.

Cornelia Ernst, die innenpolitische Sprecherin der Linken im Europäischen Parlament, kommentierte uns gegenüber:

Die Antwort der EZB ist mal wieder typisch. “Vertraut uns, Sicherheit ist uns wichtig, aber stellt keine Fragen.” Das Problem ist, dass sie Sicherheit nicht ernst nehmen, sondern die Bedenken einfach beiseite wischen. Wer aber Computersicherheit erreichen will, indem er solche Dinge ignoriert, macht seinen Job nicht. Wenn Draghi hingegen glaubt, dass es für die EZB egal ist, ob Verizon abgehört wird oder freiwillig mit der NSA kooperiert, dann gehen sie ebenfalls verantwortungslos mit ihrer Computerinfrastruktur um. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder stört es sie nicht, wenn sie von fremden Geheimdiensten überwacht werden oder sie machen mit. Die ganze Arroganz exekutiver Stellen im Zusammenhang mit den NSA-Enthüllungen sehen wir hier par excellence.

Noch im Juli hatten sich Hacker unberechtigt Zugang zu E-Mail-Adressen und Kontaktdaten im System verschafft, eine Sicherheitslücke, die generell zu Verunsicherung über die Sicherheitsvorkehrungen innerhalb der EZB geführt hatte. Man versuchte das, öffentlich herunterzuspielen. Es seien keine internen oder marktsensiblen Daten dabeigewesen und die entsprechende Datenbank sei zu großen Teilen verschlüsselt gewesen, “allerdings mit Ausnahme der gestohlenen Kontaktdaten”. Die Beruhigungsversuche wirkten bei De Masi nicht, er sagte in einem Interview mit telepolis:

Sie haben E-Mails und Daten gestohlen. Das ist übrigens genau der Bereich, den Verizon betreut. Das kommt eben davon, wenn man Diebe als Wachschutz engagiert.

Auch andere Abgeordnete wollen die Situation nicht hinnehmen und haben gemeinsam einen Brief an die Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) und für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) gerichtet, in dem sie die Ausschussvorsitzenden darum bitten, sich des Themas anzunehmen.

Wir können nicht hinnehmen, dass gewählte Vertreter des Europäischen Parlamentes nur in speziellen Leseräumen Zugang zu Informationen erhalten, die etwa das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) oder den Banken-Stress-Test betreffen, und diese Informationen nicht an ihre Bürger weitergeben dürfen. Währenddessen legt die EZB eine beunruhigend laxe Haltung gegenüber den Risiken von Wirtschaftsspionage an den Tag.

Was die Vorsitzenden des ECON- und LIBE-Ausschusses zu der Problematik denken, wollten sie noch nicht kommentieren. Es ist zu hoffen, dass sie das Thema auf die Tagesordnung setzen und sensible europäische Daten nicht Unternehmen überlassen, die wissentlich mit der NSA in engem Kontakt stehen.

Der Artikel erschien am 17. November bei Netzpolitik.org und ist online HIER abrufbar.