Konzernklagerecht – ISDS
Ein Instrument der Handelspolitik sind Verträge zwischen Staaten oder Regionen, in denen der Schutz von Investoren vor Enteignung geregelt wird. Das kann in Investitionsabkommen oder als Kapitel von Freihandelsabkommen erfolgen. Einige Staaten wie Deutschland und die USA haben sehr viele solcher Abkommen. Andere Länder wie Brasilien haben bislang keine derartigen Abkommen abgeschlossen und erhalten trotzdem ausländische Investitionen. Es gibt bislang keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass diese Abkommen tatsächlich zu mehr Investitionen aus dem Ausland führen.
Kommt es zu einem Streit über eine mögliche Behinderung oder auch die Enteignung eines Investors, klären das im Normalfall die beteiligten Staaten vor einem Schiedsgericht. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die/ der Unternehmer vor ein Gericht zieht. Seit einigen Jahren mehrt sich der Abschluss von Abkommen, in denen investierenden Unternehmen auch ein direktes Klagerecht gegenüber einer Regierung bzw. administrativen Institution einer lokalen bzw. regionalen Ebene vor einem Sondertribunal einräumen, so zum Beispiel im nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA. Eingeklagt werden dabei zum Teil sehr hohe Schadensersatzzahlungen nach einer erfolgten direkten oder indirekten Enteignung. Das kann die Erklärung einer Region zum Naturschutzgebiet sein, oder aber auch das Erlassen neuer Gesundheitsgesetze.
Parallel mit dem Abschluss dieser Abkommen und der Einrichtung von entsprechenden Schiedsgerichten gibt es immer mehr große Anwaltskanzleien, die sich auf dieses – am Streitwert orientierten lukrativen – Geschäft spezialisieren. In der Folge ist die Zahl der Konzernklagen jedes Jahr kontinuierlich gestiegen. Derzeit gibt es weltweit über 500 offene Fälle, darunter die Klage von Vattenfall auf Milliardenentschädigung für das deutsche Gesetz zum Ausstieg aus der Atomenergie.
Die Entscheidung wird nicht von einem ordentlichen Gericht, sondern einem aus wenigen Wirtschaftsexperten und Juristen bestehenden Sondertribunal, gefällt. Eine Revision gegen eine Entscheidung wird nicht zugelassen. Die EU Kommission ist ein großer Befürworter des Konzernklagerechts. Sie hat es in dem Freihandelsabkommen mit Kanada festgeschrieben, über dessen Ratifizierung das nächste Europaparlament entscheiden muss. Sie will es auch in das Freihandelsabkommen EU – USA (TTIP) aufnehmen.
Nach starker öffentlicher Kritik durch Verbraucherschutzverbände, Gewerkschaften und linke Parteien führt die EU-Kommission jedoch ab März noch eine dreimonatige Konsultation der Öffentlichkeit hierzu durch und will sich der einmütigen Unterstützung durch die Mitgliedstaaten versichern. Auch Unternehmensverbände halten – zumindest für Abkommen mit anderen OECD Staaten – ein Konzernklagerechts nicht für notwendig, da diese gleichartige bzw. ähnliche legale Standards für die Entscheidung in strittigen Fällen hätten. Südafrika und einige südamerikanische Staaten haben vor kurzem alle bilateralen Abkommen gekündigt, die ein Konzernklagerecht enthalten. Australien hat beschlossen, in keinem künftigen Abkommen ein solches Recht für Konzerne zu akzeptieren.
Seit In Kraft treten des Lissabon-Vertrages werden alle Investitions- und Handelsabkommen alleine von der Europäischen Kommission im Auftrag des Rates der EU-Mitgliedstaaten verhandelt, da diese die Kompetenz für die Außenhandelspolitik auf die EU übertragen haben. Die Mitgliedstaaten können somit keine eigenen Abkommen mehr abschließen, auch nicht auf dem Gebiet der Investitionspolitik. Ein neues EU-Abkommen ersetzt automatische bestehende Einzelabkommen der Mitgliedstaaten mit dem jeweiligen Partner. Nach Abschluss der Verhandlungen entscheiden das Europäische Parlament und der EU-Rat über deren Ratifizierung.
Die Abgeordneten der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament wenden sich entschieden gegen die Schaffung eines Konzernklagerechts in Handelsabkommen der Europäischen Union. Die drohenden Klagen beschränken die politische Handlungsfreiheit demokratisch gewählter Regierungen, entweder direkt oder durch Einschüchterung. Im Konfliktfall zwischen einem Konzern oder Investor und einer Regierung soll die Entscheidung über eine mögliche Kompensation durch ordentliche Gerichte gefällt werden. Sie sind eine Errungenschaft unserer Justizsysteme. Nur Gerichte haben im Zweifelsfall die Kompetenz für eine Güterabwägung zwischen gesellschaftlichen Interessen und Unternehmensinteressen.
Die Abgeordneten der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament werden jedes Abkommen ablehnen, dass Konzernen ein Klagerecht gegenüber Regierungen einräumt. Dies gilt für Abkommen mit OECD Staaten wie für Abkommen, mit denen Regierungen von Entwicklungsländern gefügig gemacht werden sollen. Wir stellen den Schutz von sozialen und individuellen Menschenrechten über den Schutz von Investoreninteressen.
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