Digitale Agenda – ein verwelktes Feigenblatt!

Zur Schwerpunktsetzung des anstehenden Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs erklärt Martina Michels, Europaabgeordnete der LINKEN aus Berlin:

Weder die soziale und wirtschaftliche Krise in Europa noch die völlig verfahrene Situation des EU-Haushalts stehen auf Platz 1 der Tagesordnung des Rates.

Digitale Wirtschaft und Innovation als neue Prioritäten spiegeln falsche Tatsachen vor: 

  • Die Finanzierung des Ausbaus schneller Breitbandnetze und weitere Investitionen in Forschung und moderne Kommunikationstechnologie sind mit den vom Rat angesetzten Kürzungen im Haushalt völlig unrealistisch. 
  • Zudem versucht der Rat noch immer, die Forderung durchzusetzen, EU-Strukturfondsgelder für Länder mit zu großen Finanzschwächen zu kürzen. Diesen Grundsatz „makroökonomischer Konditionalität“ hat das Europaparlament schon mehrfach strikt abgelehnt. Weniger EU-Hilfen + weniger finanzieller Spielraum in den Regionen = weitere Abkopplung der strukturschwachen Gebiete in der EU.
  • Austeritätspolitik und Kürzungen im EU-Haushalt lassen auch für „Jugendgarantien“ und Schulungsmaßnahmen in IT-Kenntnisse kaum Hoffnung. 
  • Digitale Arbeitsplätze und Qualifizierungsangebote zu schaffen ist nur nachhaltig, wenn es sich nicht um neue prekäre Arbeitsverhältnisse handelt, wie sie aus einigen Call Centern bekannt sind. Davon ist nirgendwo die Rede. 
  • Der von der Kommission vorgelegte Verordnungsentwurf  zum gemeinsamen Telekommunikationsmarkt enthält nicht den erhofften – und angekündigten – starken Grundsatz der Netzneutralität. 
  • Mit dem Votum für ein umfassendes Datenschutzpaket hat der federführende Ausschuss des EU-Parlaments in dieser Woche eine gute Ausgangsposition für die Trilogverhandlungen angenommen. Ausgerechnet der deutsche Innenminister hat jedoch angekündigt, es wieder aufschnüren zu wollen. Dabei ist gerade für die digitale Wirtschaft das Vertrauen der Nutzer immens wichtig! Das gilt analog natürlich für eGovernance-Dienstleistungen der öffentlichen Hand. 
  • Vorschläge zur Verhinderung von Steuerumgehung und Gewinnverlagerung in der digitalen Wirtschaft – man denke an schlechte Beispiele wie Amazon oder Facebook –  sind eine gute Idee: aber aktuell auch noch nichts mehr. 

Fazit: Die digitale Agenda als Kernstück der Ratstagung ist ein leider ziemlich verwelktes Feigenblatt. 

Webseite zur Ratstagung

Erklärung der Fraktionsvorsitzenden Gabi Zimmer vor der Ratstagung