Entwarnung?
Beitrag von Thomas Händel für die „Brüsseler Spitzen“ im Neues Deutschland
Die BürgerInnen Europas wollen, dass Wasser ein Allgemeingut bleibt. Anlass der Sorge ist eine Richtlinie zur Konzessionsvergabe, die aktuell landauf landein diskutiert wird. Die EU-Kommission will erstmals die Vergabe von Konzessionen durch die Öffentliche Hand regeln. Der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments ist trotz heftiger Proteste dem Vorschlag der Kommission weitgehend gefolgt. Die »Liberalisierung der Wasserversorgung« bleibt Bestandteil der beabsichtigten Richtlinie – mit den Stimmen der meisten europäischen Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen!
Nach großer Medienöffentlichkeit für dieses Thema, über 1,3 Millionen Unterschriften bei einer europäischen Bürgerinitiative und über 60 000 Protest-E-Mails und -Briefen von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden, Stadtverwaltungen, Gemeinderäten, Land- und Bundestagsabgeordneten und Ministerien alleine an mich ruderte der zuständige Kommissar Michel Barnier am 21. Februar 2013 in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung »Der Standard« scheinbar zurück: »Ich persönlich ziehe es auch vor, wenn die Wasserversorgung im öffentlichen Bereich vorgenommen wird und nicht privat. Wir reden von einem öffentlichen Gut.« Er würde gar die Bürgerinitiative zeichnen, so der Kommissar in diesem Interview.
Ist nun Entwarnung angesagt? Gibt es etwa ein Umdenken in der EU-Kommission dahin gehend, dass sie den Wert öffentlicher Daseinsvorsorge wie der Wasserversorgung anerkennt und künftig größere Sorgfalt hinsichtlich neuer Regulierungsvorschläge zu erwarten ist? Dürfen wir sogar davon ausgehen, dass sich die Kommission im Rahmen der sogenannten Krisenbewältigung in der »Troika« dafür einsetzen wird, Forderungen nach Privatisierung der Öffentlichen Daseinsvorsorge, insbesondere der Wasserversorgung, in Mitgliedstaaten mit finanziellen Schwierigkeiten zukünftig zu unterlassen? Erklärt sich die Kommission am Ende gar bereit, die Forderung der Europäischen Bürgerinitiative »Recht auf Wasser« zu akzeptieren: Will sie die Wasserversorgung oder andere Teile der Daseinsvorsorge aus der Konzessionsrichtlinie und allen weiteren Liberalisierungsvorschlägen ausnehmen? Wird jetzt alles gut?
Ich denke eher nicht. Die Vorschläge von Rat und Kommission folgen neoliberalen Mustern und den Interessen des Big Business. Im Herbst hatte die Kommission in einem Brief an Nichtregierungsorganisationen ihre Haltung zur Privatisierung der Wasserversorgung in Griechenland wie folgt formuliert: »Die Kommission glaubt, dass die Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen, einschließlich der Wasserversorgung, Vorteile für die Gesellschaft bringen kann, wenn sie sorgfältig durchgeführt wird.« Barnier schränkt jetzt im oben zitierten Interview auch ein: »Ich kann diese Petition unterschreiben … mit Ausnahme eines Punktes, dass die Versorgung mit Trinkwasser und die Wasserressourcen nicht den Regeln des Binnenmarktes unterworfen werden dürfen.«
Es bleibt also dabei! Deshalb dürfen wir nicht nachlassen: Transparenz ja – Zwangsausschreibung nein! Die Versorgung mit Trinkwasser darf nicht für den Markt geöffnet und damit ein dickes Geschäft für einige wenige Konzerne ermöglicht werden. Nur anhaltender und ausreichender öffentlicher Druck kann hier noch etwas bewegen. Deswegen unterstützen wir weiter die Europäische Bürgerinitiative »Recht auf Wasser« gegen Privatisierungen in diesem Bereich. Das allein wird nicht reichen. Öffentlicher Druck vor Ort ist nötig, auch in den Kommunalparlamenten. Und: Nur die vollständige Rekommunalisierung rettet die öffentliche Daseinsvorsorge dauerhaft vor der Gier der »Märkte«.