Das Spiel hinter den Euro-Kulissen
Erschienen im ND am 27. Juni
Kürzlich war ein Bild in Anzeigenformat mit der Frankfurter Bankenskyline zu sehen. Dazu der Text: »In der Finanzkrise retteten Sie uns. Retten Sie jetzt den Euro. Wir verkaufen inzwischen unsere griechischen Anleihen. Ihre deutschen Banken.« Es war nur eine Satire, hätte aber auch eine echte Anzeige sein können.
In der Tat: Die Banken verkaufen ihre griechischen Anleihen, so wie sie es auch mit portugiesischen, irischen und spanischen machen. Werden diese fällig, so erneuern sie sie nicht. Binnen eines Jahres haben sich allein deutsche Geldhäuser von solchen Anleihen im Wert von fast fünf Milliarden Euro getrennt. Hielten sie im Mai 2010 noch Kredite in Höhe von 26,2 Milliarden, so waren es laut Bundesfinanzministerium ein Jahr später nurmehr 21,4 Milliarden. Banken anderer Länder waren beim Abstoßen sogar noch erfolgreicher. Französische reduzierten ihren Anleihebestand von 27 auf 15 Milliarden Dollar, Geldinstitute aus dem restlichen Euroraum sogar von 22,9 auf 7,7 Milliarden. Man kann der Deutschen Bank oder der Commerzbank daher kaum ein verwerfliches Handeln vorwerfen, wollen sie doch bei einem Schuldenschnitt nicht als einzige Dumme vor ihren Aktionären stehen. Und von den verbliebenen Anleihen im deutschen Besitz werden 8,5 Milliarden gar nicht von Privatbanken, sondern quasi vom Bund bzw. dem Land Nordrhein-Westfalen gehalten. Es handelt sich um Forderungen der verstaatlichten Hypo Real Estate und der Abwicklungsanstalt der WestLB. Doch wer erwirbt überhaupt solche, von den Ratingagenturen fast schon zu Ramsch erklärte Anleihen? Tatsächlich kommt kaum ein privates Unternehmen auf diese Idee. Als wichtigster Nachfrager tritt daher regelmäßig die Europäische Zentralbank (EZB) auf. Sie kauft griechische Staatsanleihen wie die anderer europäischer Defizitländer im großen Stil. Ermächtigt wurde sie dazu ausdrücklich durch einen Beschluss des Europäischen Rates von Mai 2010. Mittlerweile schätzt man den EZB-Bestand solcher Anleihen auf gut 80 Milliarden Euro, darunter griechische in Höhe von 45 Milliarden. Zwar hat die Zentralbank die Anleihen Hellas‘ bei niedrigen Marktkursen für etwa 70 Prozent des Nennwerts gekauft, doch bei einem angenommenen Schuldenschnitt von 40 oder gar 50 Prozent würde sie dennoch hohe Verluste erleiden. Die EZB ist auf diese Weise zu einer echten »Bad Bank« geworden. Kommt es zu einem Forderungsausfall, hätte der europäische Steuerzahler den Schaden zu tragen. Als die Euroländer im Mai 2010 das 110 Milliarden Euro schwere Rettungspaket schnürten, versprachen die Banken noch, Griechenland nicht im Stich zu lassen. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann soll zugesichert haben, die Geldhäuser seien weiter bereit, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Davon will man heute aber nichts mehr wissen. Der jetzige Streit um eine Beteiligung privater Gläubiger an den Risiken eines Zahlungsausfalls Griechenlands ist daher lächerlich. Er zielt allein darauf ab, die Reihen der Regierungsfraktionen zusammen zu halten. Deshalb wurde in den Entschließungsantrag von CDU/CSU und FDP in der Bundestagsdebatte am 10. Juni die Forderung nach einer »fairen Lastenverteilung« aufgenommen. Bedeutung hat das alles nicht. Nur wenige Tage später einigten sich Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy darauf, dass diese Beteiligung Privater ganz und gar freiwillig sein soll. So beschloss es auch die Eurogruppe auf ihrem Treffen am 20. Juni. Die Banken und Versicherungen aus Kerneuropa verschenken nichts. Sie werden vielmehr fortfahren, unsicher gewordene Anleihen bei den europäischen Staaten und damit bei deren Bürgern abzuladen. Nur noch ein wenig Zeit, dann werden sie alle ihre notleidenden Anleihen abgestoßen haben. Das ist das wirkliche Spiel, das hinter den Kulissen gespielt wird.