Angucken, ja! Anfassen, nein!
Der Wirtschafts- und Währungsausschuss im EU-Parlament verabschiedet mit dem Langen-Bericht die erste europaweite Verordnung zum Handel mit Derivaten. Jürgen Klute, Koordinator der Linksfraktion im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments sieht in den aktuellen Pläne eine gute Grundlage, um außerbörsliche Spekulation einzudämmen.
„Eine ernsthafte Einschränkung des Handels mit hochspekulativen Derivaten ist von dieser Verordnung nicht zu erwarten“. Dennoch sieht Jürgen Klute einen beachtlichen Fortschritt in der heute im Wirtschaftsausschuss verabschiedeten Verordnung. „Wenn dieser Text auch in den Verhandlungen mit dem Ministerrat im Wesentlichen erhalten bleibt, haben wir erstmals die Möglichkeit, einen Überblick zu erhalten über Derivate, die bisher unterm Ladentisch gehandelt werden – und dadurch einen Ansatz, eine Finanztransaktionssteuer auch auf diese Produkte zu erheben.“
Zum Hintergrund: Bei „OTC-Derivaten“ (OTC = over the counter) schließen Käufer und Verkäufer unmittelbar einen Vertrag – keine Börse oder Aufsichtsbehörde führt Buch darüber. In dieser Praxis sehen Finanzmarktexperten ein großes Risiko, da niemand einen Überblick hat, welche Produkte gerade in welchem Umfang gehandelt werden. Das aufgebaute Risiko bleibt im Verborgenen. Angesichts dieses Status Quo sieht Klute in der Verordnung einen klaren Fortschritt : „Mit gefährlichen Deals in Hinterzimmern wollen EU-Parlament und Kommission im Prinzip Schluss machen. Ein Großteil der OTC-Derivate wird künftig über zentrale Gegenparteien abgewickelt, die einspringen, wenn einer der Handelspartner ausfällt. Zudem werden Details jedes Deals an zentrale Register gemeldet.“
Trotzdem fehle dem Bericht an wichtigen Stellen der nötige Biss: „Unnötig viele Derivate werden von der Abwicklung über die zentrale Gegenpartei ausgenommen. Pensionsfonds etwa sollen erst nach Ablauf einer Dreijahresfrist dieser Verpflichtung unterliegen. Innerhalb dieser Frist erhalten diese Fonds die Gelegenheit erhalten, ihre Strukturen den veränderten Anforderungen anzupassen – allerdings um den Preis, dass ein großer Anteil des Derivatevolumens vorerst einer Aufsicht entzogen bleibt.“ Zudem kritisiert Klute, dass ein Vorschlag der Linksfraktion im EU-Parlament nicht berücksichtigt wurde, mit dem Positionslimits für Derivate eingeführt werden sollten. So können wie bisher alle Marktakteure beliebig viele der hochspekulativen Produkte handeln.
Innerhalb der Verhandlungen konnte auch die LINKE Erfolge erzielen, so Klute: „In zwei wichtigen Punkten sind uns die Kollegen im Ausschuss gefolgt. Zum einen haben sich die Abgeordneten dafür ausgesprochen, die erhobenen Daten zum Derivatehandel auch der Zivilgesellschaft zugänglich zu machen. Damit erhalten endlich auch NGOs die Möglichkeit, relevante Marktdaten zu beobachten und zu analysieren – es liegt ja auf der Hand, dass NGOs im Zweifel eher auf Fehlentwicklungen hinweisen als die Händler selbst. an den Märkten frühzeitig aufzuzeigen. Zum anderen erhielt unser Vorschlag breite Unterstützung, mit Blick auf die anstehende Überarbeitung der Richtlinie zu Finanzmarktinstrumente (MiFID) die Spekulation auf Rohstoffe und Nahrungsmittel einzuschränken.
Im Juli wird der Bericht im Plenum beschlossen, wenn nötig folgen danach Verhandlungen mit dem Rat.