Doppelte Standards – Libyen und Bahrain

Erschienen in junge Welt 30. April/ 1. Mai

 http://www.jungewelt.de/2011/04-30/035.php?sstr=sabine%7Cl%F6sing

Man muß kein Freund des libyschen Diktators Muammar Al-Ghaddafi sein, um die Doppelbödigkeit der NATO-Propaganda scharf zu kritisieren. Offiziell geht es im NATO-Krieg gegen Libyen darum, die Zivilbevölkerung zu schützen, tatsächlich war und ist das Ziel der Operation jedoch, einen Regimewechsel gewaltsam herbeizuführen, wie der britische Verteidigungsminister Liam Fox Anfang der Woche nochmals bestätigte: »Je schneller Oberst Ghaddafi begreift, daß das Spiel aus ist […], umso besser.«

Wie scheinheilig die Menschenrechte bei feindlichen Regierungen buchstäblich ins Feld geführt werden, sie bei »befreundeten« Staaten aber geflissentlich unter den Tisch fallen, das zeigen jüngste Aussagen Robert Coopers. Er ist seit Jahren ein wichtiger EU-Politiker und berät derzeit die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Cooper wurde am 22. März im Auswärtigen Ausschuß des Europäischen Parlaments befragt, was er denn zu den Vorgängen in Bahrain sage, wo seit Wochen Proteste brutal niedergeschlagen werden. Erst am Tag zuvor waren bei Auseinandersetzungen 200 Menschen verletzt und vier getötet worden. Cooper tat dies lapidar mit dem Kommentar ab, »Unfälle kommen vor«. Als Begründung gab er an: »Man muß verstehen, daß die Autoritäten das Recht hatten, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen, und das ist es, was sie getan haben.« Am Donnerstag haben sie das wieder getan. Vier Teilnehmer regierungskritischer Demonstrationen in Bahrain wurden wegen der angeblichen Tötung zweier Polizisten während der Proteste zum Tode, drei weitere zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Anwälte der Angeklagten bestritten die Anschuldigungen.

Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, wie Michael Haid von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) erklärte: »Diese Doppelmoral hat natürlich Gründe: In Bahrain befindet sich das Hauptquartier der Fünften Amerikanischen Flotte, der wichtigste Militärstützpunkt der USA im Nahen Osten. Die Mehrheit der Demonstranten sind Schiiten, die verdächtigt werden, die Sache des schiitischen Iran, des großen Gegners in der Region, zu vertreten.«

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch die Antwort von Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, auf die Frage, ob die NATO nicht zu einer Art Weltpolizei werde, wenn sie, wie nun – angeblich – in Libyen zum Schutz der »Menschenrechte« eingesetzt würde. In seiner Antwort präzisierte er die konkreten Bedingungen, unter denen dies erfolgt, folgendermaßen: »Wir sollten nach diesen Überlegungen, nach diesen neuen völkerrechtlichen Grundsätzen dort eingreifen, wo wir a) dies können und wo das Eingreifen b) mit unseren eigenen nationalen Interessen in Einklang zu bringen ist.« Das sei »aus der Sicht der NATO-Partner, jedenfalls der großen Mehrheit der NATO-Partner« in Libyen »tatsächlich der Fall gewesen«.

Sabine Lösing ist Europaabgeordnete der Linken und Mitglied des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten und des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung