Die Kirche der Freiheit vom Grundgesetz ?

Weite Teile des Gesundheitssektors werden von der Kirche dominiert – unter Ausschluss der Gewerkschaften

„Es gibt keine mit Heiligkeit versehene äußere Ordnung der Kirchen, keine unveränderbare Hiercharchie. In der äußeren Gestalt der Kirche sollen sich ihr Geist und ihr Auftrag widerspiegeln; Organisationsfragen [dürfen] als solche nicht dogmatisch überhöht werden, sondern sind für unterschiedliche Gestaltungen offen.“ (EKD: Die Kirche der Freiheit, 2006: 33)

Dürfen kirchliche Einrichtungen bestreikt werden oder nicht? Bielefelder Arbeitsrichter sagten am 3. März 2010: „Nein“. Gegenüber den Arbeitsrichtern verwies die Kirche auf ihr seit der Weimarer Republik erlangtes Recht zur Selbstorganisation (Art. 137 WmRV, heute 140 GG). Personalangelegenheiten könnten unabhängig vom Staat geregelt werden. Die vermeintlich besonderen „Dienstgemeinschaften“ machten Arbeitnehmerorganisation und Arbeitskämpfe überflüssig.

Tatsächlich stammt die Rede von der „Dienstgemeinschaft“ weder aus dem Alten Testament, noch aus der Weimarer Republik. Zu Beginn der 1950er sollten unter Rückgriff auf einen seit 1937 verwendeten Begriff der Nazis Gewerkschaften von kirchlichen Arbeitsplätzen fern gehalten werden. Vermeintlich theologisch umgedeutet, bezeichnete sich die Kirche fortan als Organisation ohnegleichen, in der auch Konflikte um Lohn und Arbeitsbedingungen keine Rolle spielten.

Die „Kirche der Freiheit“ gibt den eigenen Anspruch der Nicht-Weltlichkeit auf. Das Versprechen einer harmonischen „Dienstgemeinschaft“ wurde durch besondere Arbeitnehmerfreundlichkeit nicht nachweisbar eingelöst. Insofern kann auch der Rückhalt grundgesetzlicher Rechte nicht länger begründet werden.

In der Weimarer Republik war man bereits weiter: Selbstorganisation und Unabhängigkeit von staatlicher Einmischung wurde damals nicht dem Rückhalt gewerkschaftlicher Rechte verknüpft. „Im Rahmen der für alle geltenden Gesetze“ (137, WmRV) unterlagen die Kirchen dem allgemeinen Arbeitsrecht. Streiks gab es damals auch in kirchlichen Einrichtungen.

Der Beitrag ist in der September-Ausgabe der Fachzeitschrift Altenpflege erschienen.