Einführung einer europäischen Finanzmarktaufsicht

Eine Kurzinformation.

Was will die Linke?

Das Europawahlprogramm der LINKEN von 2009 stellt zum Thema Finanzkrise fest, dass der Europäischen Union eine besondere Verantwortung für die Kontrolle von internationalen Finanzplätzen zukommt. Aktuell stehen global agierenden Banken, Versicherungen und Fonds in der EU dutzende zersplitterte und oftmals hilflose Aufsichtsbehörden gegenüber. Für eine effektive Kontrolle fehlt es mal an politischem Willen, mal an Informationen, Sachverstand oder schlicht an Personal. Angesichts des vertragsrechtlich vorgeschriebenen freien Kapitalverkehrs regiert bisher einzig der Wettbewerb um die harmloseste Regulierung.

Das Europawahlprogramm der LINKEN fordert, dass aus diesem Grund die Kompetenzen der EU erweitert werden sollen. Für eine bessere Transparenz soll gesorgt werden, indem Banken und andere Finanzmarktakteure dazu verpflichtet werden, den zuständigen Aufsichtsbehörden umfassende Informationen über ihre Tätigkeiten und Risikopositionen zu geben. Finanzkrisen soll zukünftig auch durch eine enge weltweite Kooperation unter den Behörden vorgebeugt werden. Weiter fordern wir: „Auf der EU-Ebene sollen eine eigene Finanzmarktaufsicht über international agierende Finanzmarktakteure sowie öffentliche Rating-Agenturen geschaffen werden.

Um was geht es?

Als Reaktion auf die Finanzkrise hat die EU-Kommission Mitte letzten Jahres erste Vorschläge zu einer einheitlichen Regulierung der europäischen Finanzmärkte auf den Tisch gelegt. Davon ist die Einführung einer europäischen Finanzmarktaufsicht das bisher größte Projekt, auf das sich Parlament, Rat und Kommission einigen konnten.

Der seit ebenfalls einem Jahr amtierende Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier, ein französischer Neo-Gaullist, steht einer effektiven Regulierung der Märkte offen gegenüber und lässt weitere Gesetzesvorhaben ausarbeiten. Im Rat sind die nationalen Regierungen der EU-Länder vertreten. Seit Annahme des Lissabon-Vertrag haben die Regierungen der großen Länder, allen voran Deutschland, dort ein besonders hohes Gewicht. Alle Gesetzesvorschläge, die die EU-Kommission vorschlägt, müssen sowohl vom Rat als auch vom Europäischen Parlament angenommen werden.

In monatelangen Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen hat sich der Rat als absolute Bremse erwiesen in Sachen Finanzmarkaufsicht. Vor allem die Regierungen aus Großbritannien und Deutschland haben sich gegen eine effiziente Finanzaufsicht, die auch mit Durchgriffsrechten ausgestattet ist, gewehrt. Die parlamentarischen Berichterstatter zum Aufsichtspaket – darunter Sven Giegold (Grüne), Sánchez Presedo (spanische Sozialisten) und Goulard (französische Liberale) – haben mit viel Beharrlichkeit trotzdem einige Erfolge verbuchen könne, z.B. die grundsätzliche Möglichkeit, giftige Papiere vom Markt zu nehmen – europaweit, doch leider nicht gegen den Willen von Rat und Kommission. In den Aufsichtsgremien sind statt GewerkschafterInnen – wie von uns eingebracht – auch unabhängige WissenschaftlerInnen vorgesehen.

Wie hat sich die GUE/NGL positioniert?

Um den Druck auf die Blockade-Regierungen zu erhöhen, hatten sich die Mitglieder des Wirtschaftssausschusses entschieden, ihre Berichte vor der Sommerpause in die 1. Lesung zu geben, auf eine abschließende Abstimmung jedoch zu verzichten. Sinn und Zweck dieser Juli-Lesung war es, den Rückhalt des ganzen Parlaments gegenüber dem Rat vorzuführen.

Vor der Abstimmung am 7. Juli wurde diese Strategie in der Fraktionssitzung der GUE/NGL besprochen. Von Thomas Händel als zuständigem Schattenberichterstatter und Jürgen Klute als Obmann im Ausschuss wurde den Abgeordneten der Links-fraktion empfohlen, die Strategie im Sinne einer wirksameren Regulierung im Grundsatz mitzutragen – und sich – je nach Haltung der Partei-Delegationen – der Stimme zu enthalten oder zuzustimmen. Diese Empfehlung ist innerhalb der Delegation der LINKEN. nicht auf Widerspruch gestoßen und wurde von den Abgeordneten im Wahlverhalten mitgetragen.

Im Sinne des föderativen Charakters der GUE/NGL hat sich dann bei der Abstimmung am 7. Juli ein gutes Fünftel der europäischen Linksfraktion für die Finanzmarkt-aufsicht gestimmt, etwa drei Fünftel haben sich jeweils der Stimme enthalten und ein knappes Fünftel hat gegen die Gesetzesentwürfe gestimmt. Die Haltung der Fraktion zur Schlussabstimmung am 22. September wird dagegen noch zu debattieren sein.

Erfolg oder Niederlage ?

Mit einer Rückendeckung von 90% Ja-Stimmen sind die Verhandlungen Anfang September zum Abschluss gekommen. Die neuen EU-Behörden werden nach abschließender Abstimmung am 22. September zum 1.1. 2011 ihre Arbeit aufnehmen. Ein Gerüst, das zumindest Chancen bietet, steht damit. Durch kommende Richtlinien müssen die Handlungsbereiche aber erst noch abgesteckt werden, und die Aufsicht mit weiteren legislativen Werkzeugen ausgestattet werden. Was in Zukunft erreicht werden wird, wird auch von einer handlungsfähigen linken Opposition abhängen.