Konstanze Kriese
Konstanze Kriese

Strategien gegen Rechtsaußen und ein Auslieferungsstopp von Antifaschist*innen nach Ungarn

Eine Konferenznachlese

Am 11. Dezember 2024, ab 15 Uhr gelang es der Fraktion The Left – unter Beteiligung der linken Delegation aus Deutschland –  mehr Öffentlichkeit für eine Entwicklung, die uns schon in der Migrationspolitik seit mehr als 5 Jahren begegnete, zu schaffen. Rechtsstaatlich verfolgt werden nicht etwa die, die Menschenrechte verletzten, andere verfolgen und ausgrenzen, sondern diejenigen, die anders sind, die humanitäre Hilfe und Widerstand gegen faschistoide Einschüchterung leisten.

Die bis auf den letzten Platz besetzte Konferenz startete nach einer eindringlichen Einleitung des Fraktionsvorsitzenden Martin Schirdewan und stellte im ersten Panel die Fälle, in denen Ungarn entweder die Auslieferung von Antifaschistinnen verlangt hat oder diese Aktivist*innen festhält und festhielt, in den Mittelpunkt. In einem zweiten Teil der Konferenz sollte es um umfassendere Strategien und praktische Erfahrungen von antifaschistischen Inititiaven europaweit gehen. 

Die FR berichtete nach der Konferenz (und der vorangegangenen Pressekonferenz) nochmals ausführlich über die Haft von Maja T, deren Vater, Großvater und Anwalt von unserer Fraktion nach Brüssel eingeladen wurden:

„‚Ihre Haftbedingungen seien „erniedrigend und entwürdigend‘, schilderte Majas Vater Wolfgang Jarosch bei der Pressekonferenz der Fraktion ‚The Left‘ in Brüssel. ‚Mein Kind ist seit fast einem halben Jahr in 24-stündiger Isolationshaft, bei der jeglicher Kontakt zu Mithäftlingen untersagt wird.‘ Solche Isolationshaft sei als ‚psychische Folter‘ einzustufen. Zudem sei die Zelle von Ungeziefer befallen. ‚Es ist eine Schande, dass Maja in einer Nacht- und Nebelaktion diesen Bedingungen ausgeliefert wurde‘, urteilte Jarosch. Er forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf: ‚Holen Sie mein Kind Maja zurück nach Deutschland‘. Das Kammergericht Berlin hatte sich nach Jaroschs Angaben vor seiner Entscheidung vom ungarischen Justizministerium zusichern lassen, menschenwürdige Haftbedingungen zu gewährleisten. Das sei aber nicht der Fall.“

Hier ist es möglich, die gesamte Konferenz nochmals zu verfolgen (allerdings nur im Originalton, doch im ersten Panel wurde viel deutsch gesprochen).

Ab ca. Minute 15:30 sprachen der Großvater und anschließend der Vater von Maja im ersten Panel.

Der Großvater verwies auf die massive Verletzung der „Mandela-Rules“, die besagen, dass Isolationshaft ohnehin  nicht länger als 15 Tage angewandt werden darf. Doch abgesehen davon handelt es sich hier um eine Untersuchungshaft, die gänzlich ohne derartige psychische Drangsalierungen auskommen sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Freigänge gibt es nur mit Handschallen, um nur eine weitere der Stigmatisierungen und Erniedrigungen der Angeklagten anzuführen. Der Vorwurf, dass Maja Rechtsextreme gejagt hätte, ist bis heute nicht imAnsatz bewiesen.

Nach den erschütternden Berichten über die Haftbedingungen von Maja erzählte der Comiczeichner Zerocalcare, der zum Fall der heutigen Europaabgeordneten Ilaria Salis, MdEP, aus Italien gearbeitet hatte, dass auffällt, dass die Unschuldsvermutung in der ungarischen Justiz völlig aufgehoben ist, die Menschen in Untersuchungshaft als „Terroristen und Verbrecher“ betitet werden. Aus den Prozessen werden zunehmend politische Hetzjagden jenseits der Rechtsstaatlichkeit.

„Die Inhaftierten sitzen dort gar nicht wegen irgendwelcher Taten“, sagte der Künstler, „sondern weil sie Antifaschisten sind.“

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Konstanze Kriese

Im zweiten Teil der Konferenz erläuterte Jan Rettig von antifascisteurope.org, dass unserer eigenen erfolgreichen Vernetzung als Antifaschistinnen und Antifaschisten viel mehr Analyse vorausgeghen muss. Wie sieht das Umfeld der parteipolitisch organisierten Rechten, wie bei der AfD, inzwischen aus? Wo reichen die Verbindungen bis ins bürgerliche Lager? Die gewachsenen Strukturen sind unübersichtlicher und flexibler geworden und wir sind auf die Expertise solcher Organisationen, die von Jan Rettich vertreten werden, angewiesen, wenn wir erfolgreiche Strategien entwickeln wollen, den Vormarsch rechtsradikaler Politik im Alltag zu stoppen. Auch andere Vertreter, wie ein französischer Abgeordneter, Raphael Arnault, verwiesen auf die strukturelle Kriminalisierung antifaschistischer Aktivistinnen und Aktivisten, zum Beispiel durch polizeiliche Kennzeichnung.

Wenn das zweite Panel die Funktion hatte, zukünftige europäische Kooperation im Kampf gegen Neofaschismus und gegen Rechtradikale zu stärken, so ist zumindest der Bedarf durch den Austausch, der auch von finnischen Vertreterinnen getragen wurde, sehr deutlich geworden. Immerhin wissen wir – zu Beginn der Legislatur in Brüssel, die bis 2029 andauert -, dass sich hier die linke Fraktion mit dieser Konferenz selbst einen großen Auftrag in die Arbeitsplanung geschrieben hat. Und eines ist klar: Linke lehnen Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzung ab, auch wenn genau dies – „die gewaltbereite Antifa-Szene“ – zu den üblichen Unterstellungen von Rechtsaußen gehört, mit denen sie antifaschistische Aktivist*innen grundsätzlich diffamieren wollen.

Für diesen wertvollen Auftakt haben wir uns bei allen Büros unserer linken Delegation in Brüssel zu bedanken, aber besonders bei Katharina Zimmer, die jetzt für die italinienische Abgeordnete Ilaria Salis arbeitet. Wir bleiben gemeinsam dran, versprochen.

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