Bericht über eine Studienreise des Regionalausschusses durch drei EU-Mitgliedsländer

Studienreise des Regionalausschusses des Europäischen Parlaments

– 21. bis 23. Februar 2022 –

in von der Flutkatastrophe im Juli 2021 betroffene Gebiete

besuchte Orte:

  • Niederlande    Valkenburg, Maastricht/Provinz Limburg
  • Deutschland    Mayschoss, Bad Neunahr-Ahrweiler, Altenahr, Euskirchen, Erftstadt
  • Belgien            Eupen, Verviers,

 

„Wasser kennt keine Grenzen“

Um sich vor Ort mit den Folgen der verheerenden Flutkatastrophe im Sommer 2021 vertraut zu machen, europäische Solidarität zu übermitteln und mit Vertreter*innen der verschiedenen lokalen Ebenen über Ursachen und Schlussfolgerungen zu debattieren, fuhr eine Delegation des Regionalausschusses des Europaparlamentes vom 21.-23.2.2022 auf eine länderübergreifende Studienreise (NL, DE, BE).

In zahlreichen Gesprächen mit Bürgermeister*innen, Vertreter*innen von Kreis,- Gebiets- und Regionalkörperschaften ging es vor allem um konkrete Lagebeschreibungen sowie um den Beitrag der EU bei der Krisenbewältigung vor Ort, z. B. um den wirksamen Einsatz von EU-Geldern, wie die Europäischen Solidaritätsfonds zur Bewältigung von Naturkatastrophen, die bereitgestellten verschiedenen Strukturfonds oder auch die Mittel für grenzüberschreitende Förderprojekte.

Die Lage vor Ort mit den verheerenden Schäden übertraf dabei die bisherige Vorstellungskraft aus Medienberichten um ein Vielfaches. Die Flutkatastrophe kostete 242 Menschen in Europa das Leben (davon 196 in Deutschland und 42 in Belgien). Diese Flut hat Milliardenschäden durch zerstörte Infrastruktur, Natur- und Wirtschaftsschäden, Tourismusausfälle und vor allem tausendfaches menschliches Leid hinterlassen. Tausende Tonnen Müll veranschaulichen dabei am deutlichsten, wieviel Leben dabei verloren gegangen ist.

Zweifelsfrei und durch vielfache Aussagen bestätigt, waren sowohl die Dimensionen als auch die Schnelligkeit der heranströmenden Wassermassen in den überfluteten Gebieten kaum vorhersehbar. Die Flut traf vor allem die lokalen Verantwortlichen in nie gekannter Geschwindigkeit mit voller Wucht. Durch den vorzeitigen Ausfall der Stromversorgung, (teilweise auch der Notstromversorgung) und damit auch der Kommunikationsmöglichkeiten waren sie vielerorts auf sich allein gestellt.

Gleichzeitig entwickelte sich eine Welle der Solidarität in der Zivilgesellschaft durch ehrenamtliche Freiwillige, die höchsten Respekt und Anerkennung verdient.

In den betroffenen Gebieten sind die Folgen des Klimawandels anschaulich und auf tragische Weise sichtbar geworden. Bereits jetzt, nach mehr als sieben Monaten, drängen sich für diese Gebiete Fragen zur Notwendigkeit eines grundlegenden Umdenkens in Bezug auf den Wiederaufbau auf. Bürgermeister*innen sprachen von einem „Wachrüttler“ oder „Warnschuss der Natur“, der eine strategische Klimafolgeanpassung notwendig macht, um für kommende Naturkatstrophen besser gerüstet zu sein.

Mehrfach wurde betont, dass für derartige Projekte und Strategien gerade jetzt noch ein Zeitfenster zum politischen Handeln besteht, denn noch ist situationsbedingt die Bereitschaft zum Umdenken ausgeprägt. In diesem Sinne bieten sich die betroffenen Gebiete selbst als Pilotprojekte für künftige Nachhaltigkeit im besseren Einklang mit der Natur an (z. B. nationales niederländisches Programm „Wasser im Gleichgewicht“/Interreg-Programm EUREGIO Mosel-Rhein zum Wassermanagement, Notfallsystemen, Raumordnung NL-DE-BE).

Derartige Naturkatastrophen werden sich in der kommenden Zeit leider wiederholen – sei es durch Fluten, Erdbeben, Waldbrände oder Dürre. Deshalb ist es wichtig, die Erfahrungen aus dem Sommer 2021 zu sammeln, auszuwerten und politische Schlussfolgerungen mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam zu erarbeiten und durchzusetzen.

 

Analyse und Schlussfolgerungen:

Trotz der Unvorhersehbarkeit muss man feststellen, dass sich Fehler und Versäumnisse aus der Vergangenheit bitter gerächt haben:

  • Bei künftigen Baugenehmigungen und beim Wiederaufbau werden Gebiete ausgewiesen, auf denen nie wieder gebaut werden darf, um der Natur den benötigten Freiraum zu lassen. (Flussbett und mögliche Wasserrückhaltung). Die Frage der Nachhaltigkeit wird zur zentralen Frage.
     
  • Die Frühwarnsysteme bedürfen einer zwingenden Überarbeitung. Dabei muss grenzüberschreitend zusammengearbeitet werden.
    Die Information der Bürger*innen war mit digitalen Mitteln teilweise nicht mehr möglich. Sirenen fielen aus oder waren nicht einsatzbereit. Das EU-Warnsystem Copernicus war für lokale Ebenen nicht verfügbar bzw. nicht lesbar.
     
  • Dazu gehört auch eine besser deutbare Wettervorhersage. Warnkarten enden an Staatsgrenzen, sind für Nachbarländer entweder nicht verfügbar oder nicht lesbar.
    Somit ist die Wettervorhersage für kommunale Verantwortliche kaum exakt zu deuten (viel zu technisch in der Sprache). Prognosetools müssen gezielter und klarer entwickelt werden.
     
  • Das Beihilferecht muss für Katastrophenfälle überarbeitet werden. Der §50 regelt Hilfen für Unternehmensausfälle für ein halbes Jahr. Der Zeitraum ist zu kurz, um die benötigte Unterstützung zu gewährleisten.
     
  • Die Kohärenz der verschiedenen EU-Strukturmaßnahmen ist zu hinterfragen. Es ist kaum bekannt, wie man Strukturhilfen kombinieren kann, welches Programm wofür steht.
     
  • Gute Erfahrungen aus den Niederlanden zu grenzüberschreitenden Projekten wie INTERREG sollten ausgebaut werden.
     
  • Offensivere öffentliche Bekanntmachung der EU-Hilfen:
    Insbesondere in Deutschland, wo die Mittelvergabe durch die nationale Ebene erfolgt, ist kaum bekannt, dass und wie die EU konkrete Zuschüsse vergibt.
     
  • Wir (das REGI-Team) schlagen ein neues EU-Förderprogramm zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels vor.

 

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Martina Michels

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