Würdige Löhne – auch in Bangladesch

Helmut Scholz spricht in der Straßburger Plenardebatte zu Arbeitnehmerrechten in Bangladesch

Herr Präsident, Frau Kommissarin!

Mehr als vier Millionen Menschen arbeiten in Bangladesch im Textilsektor. In täglich harter Arbeit stellen sie einen großen Teil der Kleidung her, die wir in Europa tragen. Kaum ein Textilunternehmen, das nicht die Produktion verlagert hat zu Bedingungen, die ich nur als Ausbeutung bezeichnen kann. Die Löhne sind so niedrig, dass jede Näherin Überstunden machen muss. Oft sind 100 Überstunden im Monat nötig, um die Miete für einen Raum für eine ganze Familie zahlen zu können und die Kinder mit Essen zu versorgen.

 

Schon vor der Pandemie waren die Löhne zu gering. Nun hat eine Studie ergeben, dass jene, die ihre Stelle behalten konnten, dafür bis zu 65 % Lohnkürzung akzeptieren sollen. Fabrikbesitzer verweigern einfach die Auszahlung, und bei Protesten und Arbeitskämpfen, wovon Medien in der EU-27 kaum berichten, gab es letzte Woche einen Toten und 35 Verletzte.

 

Ja, Bangladeschs Arbeitsgesetzgebung muss verändert werden. Die Ursache für diese Situation liegt aber auch bei der EU. Die Einkäufer europäischer Unternehmer drücken die Preise. Beenden wir diese verantwortungslosen Handlungen, indem wir mit dem europäischen Lieferkettengesetz die Verantwortung in der Textilbranche gesetzlich zuweisen! Rechnen wir einmal aus, welche Gewinnspanne entsteht, wenn eine Frau für 70 Euro im Monat 200 Pullover herstellt. Für ein würdiges Leben in Dakar müsste sie 370 Euro verdienen. Und wissen Sie was? Die dafür notwendige Erhöhung im Einkaufspreis würden wir hier kaum spüren.

 

Erstens brauchen wir also ein wirksames Lieferkettengesetz. Zweitens müssen wir bei der anstehenden Reform des Handelspräferenzsystems dafür sorgen, dass die Ziele der Sorgfaltspflicht unterstützt und nicht unterwandert werden. Und drittens dürfen wir längst nicht nur auf den Textilsektor schauen. Der Mindestlohn für die vielen Teepflückerinnen in Bangladesch beträgt skandalöse ein 1,17 Euro pro Tag. Hier sind die EU-Gesetzgeber und die Kommission unmittelbar gefordert.