Martinas Woche 18_2020: Krisenbewältigung – Alles neu macht der Mai?

1. Mai – Medienfreiheit – update: Corona-App – Lesestoff zu Krise, Freiheit, Autogipfeln & Asylpolitik

Auch wenn die Walpurgisnacht am 30. April mancherorts buchstäblich ins Wasser fiel, so hat es doch die Pflanzen erfreut, die nach wochenlanger Trockenheit einen Hauch von Frühling vorantreiben. Und wenn Ihr jetzt denkt, was hat die lange Tradition der Hexentanznacht denn mit einem politischen Wochenrückblick in Zeiten von Corona zu tun, erinnern wir daran, dass Walpurga oder Walburga vor allem die Schutzheilige gegen Pest, Husten und Tollwut war und zwischen zwei Walpurgis-Feuern vor allem auch Seuchen rituell vom Leben ferngehalten werden sollten. Nun ist die Seuche jedoch schon da und wird uns auch in dieser Woche erneut in ihren politischen Folgen beschäftigen.

Das beginnt gleich damit, dass auch der 1. Mai 2020 ohne Demonstration und Feste begangen wurde, was jedoch nicht bedeutete, dass die politischen Forderungen für die Beschäftigten, die die Folgen der Corona-Krise ganz besonders spüren, ausblieben. Und längst ist der 1. Mai nicht nur der Tag für viele Beschäftigte. Frauen begehen ihn weltweit längst als Tag der Care-Arbeit. Und das sollte, angesichts der mies bezahlten Jobs im Gesundheitswesen, bei der Gebäudereinigung, an den Supermarktkassen in diesen Tagen jeder und jedem einleuchten, dass der Blick auf Arbeit und Leben längst viel umfassender ausfallen muss, als es traditionell männlich geprägte Gewerkschaftsarbeit noch immer teilweise vermittelt. Und noch ein Gedenktag durchkreuzte diese Woche: Es ist der Internationale Tag für Pressefreiheit am 3. Mai 2020, der uns ebenfalls mitten in der Corona-Krise vor Augen führt, dass wir da nicht erst bis Ungarn oder in die Türkei sehen müssen, wenn hierzulande Presseteams vor der Volksbühne mitten in Berlin angegriffen werden.

 

1.Mai – „Hilfsprogramme für Millionen statt für Millionäre“

So titelt Özlem Demirel in ihrem Kommentar zum diesjährigen 1. Mai, indem sie drei Forderungen stark macht, die bei der Krisenbewältigung ganz oben stehen:

  1. muss eine garantierte Beschäftigungssicherung im Mittelpunkt von Hilfsprogrammen für Unternehmen stehen,
  2. sollen staatliche Unterstützungszahlungen jeglicher Art an Unternehmen damit verknüpft werden, dass Unternehmen auf Dividenden- und Boni-Auszahlungen verzichten und
  3. sollten wir die Vergesellschaftung von Unternehmen und Neugründungen von Unternehmen in Belegschaftsbesitz als Perspektive für Beschäftigte EU-weit fördern.

Dieser Forderungskatalog ist an eine grundlegende solidarische Krisenbewältigung gebunden und auch da sehen wir bisher noch keine neuen Wege, keine gemeinsame Schuldenhaftung in der EU. Wie der gesamte Rahmen genau aussehen wird, soll die Kommission nun am 6. Mai 2020 vorlegen, nachdem der Europäische Rat sich nun zweimal vertagt hat. Der Europäische Rat, dies noch einmal zur Erinnerung, das sind die Mitgliedstaaten selbst, die sich hier nicht einigen. Den hohen politischen Preis trägt am Ende die EU als Ganzes, das Parlament wie die Kommission, mit. Martina hatte die Ratssitzung der letzten Woche dahingehend schon kommentiert.

 

Corona-App: ein Update

Die deutsche Regierung soll sich für eine dezentrale Version entschieden haben, deren Anwendbarkeit nun weiterentwickelt wird. Die Klippen des Datenschutzes sind nach wie vor enorm und möglicherweise auch die Begehrlichkeiten derer, ohne die auch die datensparsamen Varianten nicht auskommen: Google und Apple. In einem umfassenden Beitrag von Spektrum.org werden hier alle Probleme aufgelistet und wir fragen uns natürlich zusätzlich in einem Team, das in Belgien, Deutschland und Frankreich arbeitet: Was, wenn jedes Land seine App entwickelt, die einen so, die anderen so…? Wir hatten in der vergangenen Woche Grundpositionen aufgeschrieben und auch versprochen, diese weiter zu debattieren, was wir hiermit tun, um zu einer sachbezogenen Entscheidungsfindung aller beizutragen.

 

3. Mai – Tag der Pressefreiheit

Am Samstagmorgen gab Martina beim Inforadio des RBB ein Interview am Vortag des Internationalen Tages der Pressefreiheit. Doch in so wenigen Minuten reicht es nur zum kurzen Verweisen, dass sich hier auch in Brüssel allerhand bewegt, das Thema aktuell ist und dies aus verschiedenen Gründen. „Eine wachsende Medienkonzentration, bei der 13 Unternehmen und 15 Medienvertriebe den europäischen Markt bestimmen, ist kein gutes Vorzeichen für eine plurale Medienlandschaft. Oft wird auf dem Rücken von Journalistinnen und Journalisten der Kampf um Werbeeinnahmen zwischen den analogen und den digitalen Medien ausgetragen, obwohl im Zeitalter der Medien-Konvergenz eigentlich viele Sendeanstalten, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, im gleichen Boot sitzen.“, erläutert Martina deshalb in einer ergänzenden Pressemeldung einen der Schwerpunkte, die politisches Handeln erfordern. Doch die Lage von Journalistinnen und Journalisten wird nicht nur durch manche/n Arbeitgeber*in erschwert, die wenig Zeit für Recherche lassen. Staatliche Eingriffe oder gar Gewalt von der Straße nehmen offenbar zu, während engagierte Medienleute, Film- oder Fotodokumentarist*innen unterwegs sind. Auch müssen wir uns mit Fake-News, die zwar kein neues Phänomen sind, und der Marktmacht der großen Plattformen auseinandersetzen. Gerade das geschieht erneut im Europäischen Parlament und wir werden über die Arbeit am Bericht zur Stärkung der Medienfreiheit, für den es im Kulturausschuss Ende März 2020 den Aufschlag gab, weiter berichten.

 

Lesestoff: Corona-Krise – Finanz-Krise – Staatsschulden-Krise – Klima-Krise – Asylpolitik in Quarantäne?

Wenn wir von Krisen reden, wovon reden wir da eigentlich? Eine längere Antwort versuchte der Soziologe, Ethnologe und Kriminologe Nils Zurawski in einer Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel: Krise, welche Krise? Nachdenken über Krise, Kontrolle und gesellschaftliche Selbstorganisation. Einen kurzen, aufrüttelnden Beitrag über Individualismus in der Corona-Krise „Ich tu, was ich will“ hat Peter Weissenburger in der taz beigesteuert.

Falls ihr mal nach einem Überblick der Maßnahmen und nationalen Rettungspakete in verschiedenen Europäische Ländern sucht, so werdet ihr bei dem konservativen Thinktank CEP (Centrum für Europäische Politik) in schnellen Übersichten fündig.

In der kommenden Woche, am 5. Mai 2020 findet in Deutschland erneut ein „Autogipfel“ im Kanzleramt statt. Und Stephan Krull fragt zu Recht: „Warum ‚ausgerechnet‘ die Autoindustrie?“. Hatten wir da nicht gerade noch Abgasskandale? Wollen die nicht ihre Dividenden ausschütten und verlangen zugleich staatliche Hilfen? Ihre Großaktionäre heißen Piëch, Quandt, Klatten und Staaten wie Kuweit und Katar oder Fonds wie BlackRock. Warum bleiben denn die Tourismusbranche, die Gaststätten, die Kunst mit einigen Corona-Betriebskosten-Hilfen allein? Ist das alles, vor allem so etwas wie eine Abwrackprämie, denn wirklich ein Zeichen, um nachhaltig aus der Krise zu kommen? Von der EU fordern die Autokonzerne gar eine Rücknahme von Umweltauflagen und Aufweichungen der Auflagen für die Reduktion von Schadstoffemissionen… Lest selbst im Detail! Und dann haben wir da einen wunderbaren Tipp: Wir klatschen jeden Abend 20 Uhr für unsere Autoindustrie vom Balkon… – Ihr wisst schon: Anerkennung kann jede/r gut gebrauchen.

Und abschließend wieder ein Blick an die Grenzen der EU: Dem Virus ist es schnuppe, ob Grenzen auf oder zu sind, doch den Menschen, die auf der Flucht sind und in Lagern feststecken, und uns kann dies nicht egal sein. Denken wir einige Wochen zurück. Da war die Lage auf den griechischen Inseln im Fokus europäischer Politik, nicht drängend, nicht nachhaltig, aber immerhin so deutlich, dass Menschen, denen der humanitäre Kompass nicht gänzlich abhandengekommen ist, auf Hilfe drängten. Jetzt sieht es so aus, als ob die Lager in der großen Politik vergessen sind und zur Falle der dort Ausharrenden geraten, die längst in Quarantäne sind. Grund- und Hintergrundinformationen zur Lage in Europa findet ihr bei Pro Asyl und auch die Möglichkeit zu spenden.  

 

TIPP für morgen: Diskussion mit Martina Michels am 4. Mai 2020

Zu einer Online-Debatte haben die Europäischen Föderalist*innen in Sachsen-Anhalt geladen. Hier könnt Ihr euch anmelden und ab 19.30 Uhr eine Stunde mitdiskutieren.

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Konstanze Kriese

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Deckenrondell in der Galerie Ravenstein, Brüssel
Konstanze Kriese

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