Greta Thunberg hatte einen Traum: Jugendliche aus aller Welt nehmen ihre Zukunft selbst in die Hand. Sie startete im Alter von 15 Jahren einen Schulstreik für Klimaschutz, um Politiker zum Zuhören zu zwingen. Eine Bewegung wurde geboren: Tausende Schüler*innen und Studierende gehen seit Dezember 2018 wöchentlich auf die Straße. „Schluss mit unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen“, lautet ihre Botschaft. Und weiter: „Wir werden das Schicksal der Menschheit verändern, ob Sie es mögen oder nicht. Gemeinsam werden wir aufstehen, bis wir Klimagerechtigkeit sehen. Die Zeit zum Handeln ist JETZT.“

Diese jungen Leute mit ihren berechtigten und dringenden Forderungen auch und besonders an die (Europa-) Politik wollten Linksfraktion GUE/NGL, Grüne und Sozialdemokraten in die Plenarsitzung des Europaparlaments zu einer gemeinsamen Debatte einladen. Die christdemokratischen, konservativen, liberalen und rechten Fraktionen jedoch waren dagegen, Greta Thunberg hier öffentlich sprechen zu lassen. So blieb es bei der Einladung durch drei Fraktionen (Einladungsbrief im Anhang).

60 Vertreter*innen von „Fridays for Future“ aus ganz Europa durften so auch wir am Dienstagabend in unserer Fraktionssitzung empfangen und sie trugen hier ihren Anspruch nach einem radikalen Umdenken über die Leistungs-, Konsum- und Wegwerfgesellschaft und entsprechendes politisches Handeln vor. Konkrete Forderungen reichen von umfassendem, kostenlosem und gutem öffentlichen Nah- und Fernverkehr über die stärkere Besteuerung von Kerosin, einem Ende der Nutzung fossiler Energien und umweltschädlicher Chemikalien bis hin zur Transformation des gesamten Wirtschaftssystems – raus aus den kapitalistischen und verschwenderischen Verhältnissen: „FCKW wurde ohne jahrzehntelange Debatte verboten – wann wird endlich der Kapitalismus verboten!“ fragt ein junger Mann und man merkt, es ist überhaupt nicht nur ironisch gemeint. Natürlich ist allen klar, dass jede*r ihr oder sein individuelles Verhalten ändern sollte. „Aber wir können jetzt alle ab sofort kurz duschen – wenn Ihr Politiker*innen die Großkonzerne und Großindustrie, die den Löwenanteil der Schadstoffemissionen, Abholzungen, Meeresverschmutzungen zu verantworten haben, weitermachen lasst und weiter subventioniert, dann bringt das mal gar nichts.“ Solche und ähnliche Kommentare fielen gehäuft und stießen bei uns natürlich auf viel Zustimmung. Deutlich wurden die Gäste auch in Bezug auf die Verantwortlichkeiten: Die Politik muss auf der Grundlage der umfassend vorhandenen Analysen der Klimaexperten – unter anderem und vor allem des Weltklimarates – ebenso vorhandene Lösungen verpflichtend und vor allem schnell beschließen. Dafür ist Politik schließlich da.

Viele der Jugendlichen stellten klar, sie möchten sich und ihren Protest nicht von Parteien vereinnahmen lassen, gerade in Vor-Wahlzeiten ein mehr als legitimes Anliegen. Doch es gibt auch einige, die ihr Klimaschutz- mit dem allgemeinpolitischen Engagement verbinden. Bei uns meldete sich die „Fridays for Future“ Ortsgruppe Ortenau, die zu großen Teilen aus Mitgliedern der Linksjugend BaWü besteht. Sie wollten es ganz genau wissen, verfolgten am Mittwoch die inhaltliche Hauptdebatte des Tages, die diesmal dem Klimawandel gewidmet war und diskutierten im Anschluss mit Martina Michels über das dort Gesagte. Martina bescheinigte ihnen stellvertretend für all die anderen: „Ich freue mich wirklich von Herzen über dieses Engagement für den Klimaschutz als eine der zentralen, wenn nicht die zentrale aktuelle Herausforderung vor der wir als Politik und Gesellschaft stehen.“

Wie um zu unterstreichen, dass die Europaparlamentarier*innen den Schuss gehört haben, gab es am Donnerstag dann auch eine Resolution, in der alle demokratischen Fraktionen sich gemeinsam zu ambitionierter Klima- und Umweltschutzpolitik verpflichten. Darin unter anderem das Bekenntnis zum Netto-Null-Emissionen-Ziel bis 2050, zu einer Strategie, die die sozialen Aspekte des Klimawandels berücksichtigt und schließlich zum Ziel einer Transformation zu einer Kohle-unabhängigen emissionsfreien Wirtschaft und Industrie führt. Viel zu lasch noch, kritisierte die Rednerin der GUE/NGL-Fraktion, Lynn Boylan (Irland), während der Debatte um den Text. „Es gibt hier im Haus einige, die sich mehr darum sorgen, ob Jugendliche für ihren Streik die Schule schwänzen als darum, dass wir nur noch 12 Jahre Zeit haben, diesen Schlamassel zu lösen. Dieser Text ist nicht, was ich unter schnellem, weitreichenden und bisher beispiellosem Umdenken verstehe“. Sie warb darum, zumindest anzuerkennen, dass es um die Begrenzung der Klimaerwärmung auf maximal zusätzliche 1.5°C gehen muss, um die schlimmsten Folgen für die gesamte Erde noch abzuwenden – wie es auch der jüngste Bericht des Weltklimarats erläutert. Es reiche zudem nicht, Fernziele irgendwann für 2050 anzustreben. Ein quantifizierbares Zwischenziel mindestens 55%iger Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 ist eine Forderung unserer Fraktion und Grundvoraussetzung für die wirksame Eindämmung des Klimawandels. Wir stehen außerdem ein für einen grundlegenden sozial-ökologischen Umbau, Aufnahme von Menschenrechts- und Nachhaltige Entwicklungsklauseln in alle Handelsverträge der EU sowie die Förderung kurzer Wirtschaftskreisläufe und biologisch hergestellter Lebensmittel und Produkte.

Auch wenn es sich hier um einen nicht rechtlich bindenden Text handelt – es ist eine Art Selbstverpflichtung auch für die kommende Legislaturperiode. Und natürlich ist er Referenzpunkt für laufende Gesetzgebungsprozesse – wie zum Beispiel auch über die aktuell laufende Neugestaltung der EU-Regional- und Förderpolitik. Sie ist der sichtbarste und wichtigste Ausdruck der Solidarität innerhalb der EU, zwischen Mitgliedstaaten und Regionen. Darunter fällt aber nicht nur ein finanzieller Umverteilungsmechanismus. Es geht hier klar auch um die gemeinsame Ausgestaltung politischer Prioritäten und zu denen gehört inzwischen erfreulicherweise die Klimaschutzpolitik.

Martina Michels als unsere Verhandlungsführerin bei den Verhandlungen über den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) fordert, dass die oben genannten Erkenntnisse und Ziele sich auch in diesem Programm wiederfinden und ein entsprechend hinreichender Anteil der Fördermittel dafür zur Verfügung gestellt wird – politische Prioritäten müssen sich eben letztlich auch im Haushalt widerspiegeln, sonst ist es Augenwischerei. Und wenn der Bau von Flughäfen, für Mülldeponien und für die Infrastruktur für fossile Brennstoffe weiterhin mit EU-Geldern finanziert werden können und damit möglichweise einigerorts einen Großteil der Fördermittel beanspruchen würde – wie es einige im Parlament gern hätten – würde das Ziel eines „grüneren Europas“ ziemlich unglaubwürdig. Die Abstimmung zu diesem Dossier soll bereits in zwei Wochen in Straßburg erfolgen. Es bleibt also viel zu tun.