Bericht Konferenz: „Ausstieg aus der Braunkohle. Europäisch und regional – sozial und ökologisch“

Konferenz am 20.10.2018 in Bergheim, Kreis Rhein-Erft

 

Konferenzbericht

 

von Manuela Kropp, Wiss. Mitarbeiterin bei MdEP Cornelia Ernst, Europaparlament

 

„Ausstieg aus der Braunkohle! Europäisch und regional – sozial und ökologisch“

 

Am 20. Oktober 2018 fand die Fachtagung in Bergheim Rein-Erft-Kreis statt.

 

Diese Fachtagung wurde von der linken Fraktion im Europaparlament GUE/NGL, der Bundestagsfraktion DIE LINKE., der Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Rhein-Erft, der Fraktion DIE LINKE. im Regionalrat Köln, sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW organisiert.

 

Wir haben mit Politiker*innen, Klimaaktivist*innen und Gewerkschaftern diskutiert, wie der Ausstieg aus der Kohle gelingen und der Strukturwandel sozial und ökologisch gestaltet werden kann.

 

Zur Einführung stellte Hans Decruppe, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Rhein-Erft, klar, dass wir eine gesetzliche Beschäftigungssicherung für die Beschäftigten im Kohlesektor brauchen, und auch auf ein Verbot von betriebsbedingten Kündigungen hinwirken müssen. Als LINKE akzeptieren wir es nicht, dass von interessierter Seite – Politik und Energieunternehmen – die Ängste der Bergbaukumpel um ihre Arbeitsplätze geschürt und dafür instrumentalisiert werden, an nicht-zukunftsfähigen Industriekonzepten festzuhalten.

Michael Kreuzberg, Landrat des Rhein-Erft Kreises, stellte klar, dass die Kohle schon lange keine Brückentechnologie mehr sei, sondern vielmehr eine Auslauftechnologie, und das Rheinische Revier als Industrie- und Chemiemotor Deutschlands den Strukturwandel sofort aktiv angehen müsse. Die Kommunen dürften jedoch nicht mit dieser Herausforderung allein gelassen werden – sie bräuchten Unterstützung, denn Strukturwandel sei eine Gemeinschaftsaufgabe, die über Generations- und Parteigrenzen hinweg bewältigt werden müsse. Er nannte drei konkrete Vorhaben im Rhein-Erft-Kreis: Campus Rhein-Erft, Rheinspange und Klimahöhe Terranova.

Auf dem Podium 1 zur Situation in Europa stellte die Europaabgeordnete Cornelia Ernst klar, dass das zivilgesellschaftliche Engagement zur Rettung des Hambacher Waldes genauso wichtig sei wie die parlamentarischen Kämpfe. Des Weiteren brauche es eine europäische Zusammenarbeit, v.a. mit den Beschäftigten, Gewerkschaften und Klimaaktivisten in Polen, um den Kohleausstieg und den Strukturwandel zu bewältigen. Sie legte dar, dass die europäisch vereinbarten Ziele zur Senkung der Treibhausgase und zur Steigerung der erneuerbaren Energien im Endenergieverbrauch überhaupt nicht ausreichend sind, um das Pariser Ziel von 1,5 Grad Erderwärmung einzuhalten. Es sei völlig klar, dass wir EU-weit den Kohleausstieg bis 2030 brauchen. Dem müssten sich auch die Schwerpunktsetzungen im europäischen Haushalt unterordnen.

Aleksandra Tomczak  von der europäischen Kommission hob hervor, dass eine Million neue Jobs durch eine aktiv gestaltete Energiewende geschaffen werden könnten. Sie gab zu Bedenken, dass ca. 200.000 Arbeitsplätze EU-weit im Kohlesektor (in 41 Kohleregionen, in 12 Mitgliedstaaten) vorhanden seien und Alternativen geschaffen werden müssten. Sie stellte die Plattform „Coal Regions in Transition“ (Kohleregionen im Wandel) vor, die im Dezember 2017 von der europäischen Kommission ins Leben gerufen worden ist. Hier könnten Kohleregionen in Austausch treten, konkrete Projekte vorstellen, und in Erfahrung bringen, wie dafür EU-Gelder beantragt werden können. Abschließend hob sie hervor, dass die europäische Kommission den Kohleausstieg nicht „von oben“ verordnen könne, da der Wahl des Energiemix in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liege.

Daniel Carralero von PODEMOS hob hervor, dass die spanische linke Partei PODEMOS gemeinsam mit der Regierung ein Klimawandelgesetz vorgelegt hat, in dem eine Senkung der Treibhausgase um 30% bis 2030, und um 95% bis 2050 gefordert werde. Außerdem werde in diesem Gesetzesvorschlag ein Anteil von erneuerbaren Energien von 45% bis 2030, und von 100% bis 2050 im spanischen Endenergieverbrauch gefordert. Es bleibe abzuwarten, ob dieses Gesetz Wirklichkeit wird. PODEMOS setze sich für einen Kohleausstieg bis 2025 ein, und für einen Mindestpreis für CO2. Der Kohleausstieg in Spanien betreffe ca. 4.000 Beschäftigte.

Auf dem zweiten Panel zur Situation in Deutschland erklärte Lorenz Gösta Beutin von der Bundestagsfraktion DIE LINKE, dass die deutsche Bundesregierung mit Blick auf die Energiewende zu wenig tue, obwohl 80 Prozent der Menschen in Deutschland diesem Thema positiv gegenüberstehen. Daraus folgt: wir brauchen mehr Druck aus der Zivilgesellschaft. Der massive Zubau bei den Erneuerbaren, den es in der Vergangenheit gegeben hat, ist nun ins Stocken geraten – und ein schlechtes Geschäft für den deutschen Steuerzahler, denn fossiler Strom aus Deutschland wird exportiert, wohingegen gleichzeitig Windräder abgeschaltet werden müssen, da die Netze durch den Kohlestrom verstopft sind. Im deutschen Strommix macht die Braunkohle immer noch einen Anteil von 22 Prozent aus. Minister Altmaier blockiert momentan die Sonderausschreibungen für Windkraft und verursacht dadurch einen Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen. Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, bräuchten wir eigentlich den Kohleausstieg bis 2025, mindestens müssen die letzten Meiler zwischen 2030 und 2035 abgeschaltet sein.

Hubertus Zdebel von der Bundestagsfraktion DIE LINKE., hob hervor, dass DIE LINKE die Proteste im Hambacher Wald und von Ende Gelände unterstützt, auch durch die wichtige parlamentarische Beobachtung. Hubertus Zdebel kritisierte die Aussagen von Herbert Reul zum Tod des Journalisten im Hambacher Wald, und forderte, endlich die Zeugenaussagen von anderen Journalisten zu diesem Fall aufzunehmen, um die Diffamierung der Klimaaktivisten zu unterbinden. Er wies weiterhin darauf hin, dass im Falle des Atomausstiegs eine für die Atomunternehmen sehr günstige Lösung gefunden wurde, und die Ewigkeitskosten auf die Steuerzahler abgewälzt wurden. Stattdessen hätte ein öffentlich-rechtlicher Fonds zur Sicherung der Rückstellungen eingerichtet werden müssen. Beim Kohleausstieg droht nun das gleiche Vorgehen – wir dürfen aber das Verursacherprinzip nicht außer Acht lassen und die Unternehmen nicht aus ihrer Haftung entlassen.

Auf dem Podium 3 zur Situation im Hambacher Forst erklärte Hanno von Raußendorf vom Landesvorstand DIE LINKE. NRW, dass die Klimabewegung die am schnellsten wachsende Bewegung in Deutschland ist, und durch die Proteste und das Vorgehen im Hambacher Forst eine breite Öffentlichkeit für Klimaschutzfragen sensibilisiert wurde. Die erste Waldbesetzung im Hambacher Forst fand 2012 statt – und der Widerstand ist über die letzten Jahre gewachsen. Im Hambacher Forst wird auch eine soziale Utopie gelebt und erprobt: ein herrschaftsfreies, solidarisches und autonomes Zusammenleben, das wir unbedingt weiter unterstützen müssen.

Dirk Jansen vom BUND NRW erläuterte die rechtliche Situation: ein Dutzend streng geschützter Arten lebt im Hambacher Wald. Das jüngste Gerichtsurteil bezog sich auf die Frage, ob die Voraussetzungen eines Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebietes erfüllt seien. Dirk Jansen kritisiert, dass der Hambacher Wald aus Rücksicht auf die Braunkohle nicht als FFH-Gebiet der Natura2000-Richtlinie gemeldet worden sei, trotz der seltenen Fledermausarten, die dort zu finden sind. Leider stehe der Weg zum Europäischen Gerichtshof nicht offen, so dass sich die Umweltbewegung an die Verwaltungsgerichte wenden müsse.

Auf dem vierten und abschließenden Podium zu den Anforderungen an den Strukturwandel erklärte Antje Grothus von der Initiative Buirer für Buir, dass es darum gehe, gute Industriearbeitsplätze zu schaffen, die tariflich vergütet, gewerkschaftlich organisiert und klimafreundlich sind. Beides müsse erreicht werden: gute Beschäftigungsperspektiven für die Menschen in der Region, und gute Lebensperspektiven im Hinblick auf die Umwelt. Die planetaren Grenzen müssen respektiert und ein menschen- und naturorientierter Strukturwandel angestrebt werden. Dies könne durch eine Diversifikation der industriellen Struktur, einen Ausbau der Kultur- und Freizeitangebote und alternative Flächennutzung erreicht werden. „Übergangsarbeitsplätze“ würden den Beschäftigten langfristig auch schaden, denn dann stellten sich ähnliche Strukturwandelprobleme in zehn Jahren erneut ein.

Jana Pinka, Mitglied des sächsischen Landtags, erklärte, dass die Lausitz das strukturschwächste Braunkohlegebiet von allen deutschen Braunkohlerevieren sei. 100.000 Arbeitsplätze sind im Zuge der Wendezeit in der Oberlausitz verloren gegangen, in der ganzen Lausitz wurden 180.000 Menschen arbeitslos – dies haben die Menschen bis heute nicht vergessen. Dadurch stellen sich natürlich auch besondere Herausforderungen bei der Bewältigung des Strukturwandels. Heute sind maximal 10.000 Menschen in der Lausitz in der Kohleindustrie tätig – dies ist im Grunde keine hohe Zahl, jedoch handelt es sich oft um gut bezahlte Arbeitsplätze. Ein gutes Beispiel sei, wie der Wismut-Bergbau in Thüringen abgewickelt wurde: die Beschäftigten wurden in eine Beschäftigungsgesellschaft überführt, die dann die notwendige Renaturierung in Angriff genommen hätte.

Ralf Wölk vom DGB Aachen drückt seinen Respekt vor den Aktivisten des Hambacher Waldes aus und weist darauf hin, dass es ziviler Ungehorsam gewesen sei, der den Ersten Weltkrieg beendet habe. Weiter verweist er auf den Revierappell vom Sommer 2018, in dem sich IG BCE und ver.di sowohl zum notwendigen Strukturwandel als auch zum Pariser Klimaabkommen bekennen. Trotzdem dürfe man die ökonomischen Zielstellungen nicht aus den Augen verlieren. Er gibt abschließend zu bedenken, dass die geplanten Infrastrukturmaßnahmen zwar „viel Beton“ enthielten, aber wenig Angebote an gut bezahlten Industriearbeitsplätzen.

Peter Singer, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Regionalrat Köln, warnte, dass Logistikzentren allein nicht genug Arbeitsplätze schaffen würden – vielmehr würden gute Industriearbeitsplätze gebraucht. Der Strukturwandel habe längst begonnen, doch bisher haben ihn der Stromkunde und der Steuerzahler bezahlt. 16.000 Jobs im Rheinischen Revier müssten ersetzt werden (direkt und indirekt von der Kohle abhängige Jobs).

**********

Programm der Konferenz:

Ausstieg aus der Braunkohle!

Europäisch und regional – sozial und ökologisch

Kreisverwaltung Rhein-Erft-Kreis, Großer Sitzungssaal, Willy-Brandt-Platz 1, 50126 Bergheim (bei Köln)

Samstag, 20. Oktober 2018, 10.30 Uhr – 16.00 Uhr

Öffentliche Konferenz

 

Dritte Fachtagung der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken im Europaparlament GUE/NGL und der Bundestagsfraktion DIE LINKE unter Mitwirkung der Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Rhein-Erft, der Fraktion DIE LINKE. im Regionalrat Köln sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrhein-Westfalen

Fossile Energieträger wie Braunkohle sind nicht zukunfts­fähig, wenn Klimaschutz ernst genommen und die Pariser Klimaziele erreicht werden sollen. Ein sofort beginnender Kohleausstieg in Deutschland und europaweit ist un­verzichtbar. Die Kohlekommission der Bundesregierung muss hier die Weichen stellen – gegen die Profitinte­ressen von RWE und Co. Der politische Druck durch die Klimabewegung – auch mit Aktionen im Rheinischen Braunkohlerevier – ist weiterhin nötig, um einen raschen Kohleausstieg durchzusetzen. Der Strukturwandel ist unvermeidbar. Er muss sozial und ökologisch verträglich sein und die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Region schaffen. Niemand darf ins Bergfreie fallen.

Vor diesem Hintergrund laden die Fraktionen der Ver­einten Europäischen Linken im Europaparlament GUE/NGL und DIE LINKE. im Bundestag zu einer öffentli­chen Veranstaltung ein. Es sollen hierbei gemeinsam mit Gewerkschafter*innen und Umweltaktivist*innen Ansätze für eine kohlefreie Zukunft und einen sozial-ökologischen Strukturwandel diskutiert werden.

Programm:

10.30 Uhr Begrüßung und Einführung

Hans Decruppe, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Rhein-Erft;

Cornelia Ernst, MdEP, Energiepolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament;

Michael Kreuzberg, Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Mitglied der Kohlekommission, CDU

11.00 Uhr ‒ 12.00 Uhr Situation in Europa

Cornelia Ernst, MdEP;

Aleksandra Tomczak, Europäische Kommission, Generaldirektion Energie / DG Energy;

Daniel Carralero, Politisches Sekretariat für Wirtschaft, Energie und Produktion, PODEMOS, Spanien

Moderation: Matthias W. Birkwald, MdB, Köln

12.00 Uhr ‒ 13.00 Uhr Situation in Deutschland

Lorenz Gösta Beutin, MdB, Energiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Hubertus Zdebel, MdB, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Moderation: Marika Jungblut, Stellv. Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Städteregionstag Aachen

13.00 Uhr ‒ 14.00 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr ‒ 15.00 Uhr Situation im Hambacher Forst

Aktivist*in aus der Klimabewegung;

Dirk Jansen, BUND NRW

Moderation: Hanno von Raußendorf, Umwelt- und Klimapolitischer Sprecher im Landesvorstand DIE LINKE. NRW

15.00 Uhr ‒ 15.50 Uhr Strukturwandel in den Regionen – Anforderungen an die soziale Gestaltung

Peter Singer, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Regionalrat Köln;

Antje Grothus, Initiative Buirer für Buir, Mitglied der Kohlekommission;

Jana Pinka, MdL, Sprecherin für Umweltpolitik und Ressourcen­wirtschaft der Fraktion DIE LINKE. im Sächsischen Landtag;

Ralf Wölk, DGB, Aachen

Moderation: Jules El-Khatib, Landesvorstand DIE LINKE. NRW

15.50 Uhr Fazit und Ausblick

Cornelia Ernst, MdEP

 

 

Kontakt:

Manuela Kropp

Wiss. Mitarbeiterin bei Dr. Cornelia Ernst (MdEP)

Manuela.kropp@ep.europa.eu

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht Konferenz Ausstieg aus der Braunkohle _ Okt 2018_BergheimPDF-Datei