Israel und Europa – ein Wochenbericht
Die EU-Außenminister und die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Fédérica Mogherini, berieten bei ihrer monatlichen Sitzung unter anderem die Situation Nahen Osten. Nachdem im Dezember Israels Premier Netanjahu zu Gast gewesen war (wir berichteten), nahm diesmal der Präsidenten der Palästinensischen Behörde Mahmud Abbas an der Beratung teil. Zentrale Themen waren der Friedensprozess, bilaterale Beziehungen und regionale Entwicklungen im Nahen Osten. Während seines Besuchs in Brüssel in dieser Woche bekräftigte Abbas sein Interesse daran, die Friedensverhandlungen wiederzubeleben. Ebenso rief er die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, Palästina als Staat anzuerkennen. Bislang wird Palästina von neun EU-Mitgliedstaaten als Staat anerkannt. Zudem gibt es u. a. durch Frankreich unterstützte Überlegungen, Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Palästina aufzunehmen.
( Video 1 Statements von Mogherini und Abbas vor der Beratung. Video 2 der Pressekonferenz im Anschluß an die Beratung mit den Außenministern der Mitgliedstaaten. )
GUE/NGL-Abgeordnete Martina Michels und Barbara Spinelli, hatten in der vergangenen Woche den Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aufgefordert, seinen Beschluss über die Aussetzung der Anerkennung Israels zu überdenken. „Ein solcher Beschluss ist für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses nicht hilfreich“, urteilten die beiden Abgeordneten. Zugleich hatten sie betont: „Die Linke in Europa setzt sich für eine friedliche, praktikable und gerechte Zwei-Staaten-Lösung durch Verhandlungen zwischen den beiden Seiten auf der Grundlage der Grenzen von 1967 ein.“
Martina Michels begrüßte entsprechend die in den Pressestatements von Mogerini bekräftigte Position, die EU lehne die Siedlungspolitik ab und würde sich in den kommenden Monaten verstärkt für eine Wiederaufnahme der direkten Friedensgespräche zwischen den Konfliktpartnern im multilateralen Rahmen engagieren und sich außerdem dafür einsetzen, dass die USA ihre Entscheidung zur Reduzierung der Hilfsgelder für die UNRWA überdenken. Nach den umstrittenen Äußerungen von Präsident Trump zu Jerusalem, hatte die US-Regierung hatte kürzlich angekündigt, ihre Hilfen für das UN Hilfswerk für die etwa 5 Millionen Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten massiv von $ 350 Mio. auf $ 60 Mio. zu reduzieren . Die 1949 von der UN Generalversammlung ins Leben gerufene UNRWA managt mehr als 700 Schulen in Jordanien, Libanon, Syrien, im Westjordanland und Gaza und organisiert Gesundheitsdienste in 140 Gesundheitszentren sowie Hilfen beim Wohnungsbau. „Die Europaabgeordneten der GUE/NGL haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich für die Erhöhung auch der EU-Mittel für UNRWA eingesetzt. Dennoch wird der Ausfall eines Großteils der US-Hilfen dadurch nicht kompensiert“, sagt Michels.
Ebenfalls in Brüssel zu Gast waren Mitglieder der Knesset. Am Mittwoch berichteten die MK Yousef Jabareen und MK Yaakov Perry im Ausschuss für Menschenrechte über die Situation der arabisch-palästinensischen Bevölkerung in Israel. Dr. Jabareen, Vertreter der linken Joint List Fraktion der Knesset, Vorsitzender des gemeinsamen Ausschusses für internationale Beziehungen, Experte für Menschenrechtsfragen und die Rechte nationaler und indigener Minderheiten beschrieb in seinem Vortrag trotz einiger Fortschritte im Bereich der Bildung oder auch Beschäftigung von Frauen vorhandene Diskriminierung arabischer Staatsbürger Israels in den Bereichen Bildung, Wohnen, Beschäftigung, Infrastruktur, Soziales und Gesundheit. So lebten beispielsweise zwei Drittel der arabischstämmigen Kinder unter der Armutsgrenze, Er betonte außerdem die Gefahr weiterer Ungleichheiten zwischen den verschiedenen der Bevölkerungsgruppen Israels, sollten verschiedene von der Regierung vorgeschlagene Gesetze von der Knesset angenommen werden. Er schloß mit zwei Anregungen an das Europaparlament: Zum einen müsse die Verpflichtung auf Menschen- und Bürgerrechte des Artikel 2 des Assoziierungsabkommens als zentraler Bestandteil der Beziehungen respektiert werden. Zum anderen lud er die Europaabgeordneten ein, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen sowohl von der sozio-ökonomischen Situation als auch von
Martina Michels kommentierte: „Unabhängig von Fort- oder Rückschritten bei den Verhandlungen um eine Zwei-Staaten-Lösung muss auch in Israel als demokratischer Rechtsstaat gleiches Recht und gleichen Zugang zu öffentlichen Diensten für alle Staatsbürger garantieren. Das ist zwar in der Umsetzung eine innerstaatliche Angelegenheit, unsere bilateralen Beziehen zwischen der EU und Israel gehen aber vom Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und dem universellen Schutz der Menschenrechte auf beiden Seiten aus. Das ist Geschäftsgrundlage auch des Assoziationsabkommens zwischen der EU und Israel.“
Video der Anhörung hier (Beginn 10:21:30, Ende 11:19:00; Martinas Redebeitrag 10:51:30)
Eine kurze Zusammenfassung der Problemlage bietet findet sich hier sowie der kürzlich auch im Neuen Deutschland erschienenen Artikel „Am Scheideweg: Die israelische Linke und die Nahostfrage“ von Tsafrir Cohen, Leiter der Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv. Darin wird auch deutlich, dass die Stellung der arabischen Bevölkerung in Israel und die Frage nach der Schaffung zweier Unabhängiger Staaten zwar zwei unterschiedliche Problemstellungen sind, die jedoch letztlich nicht vollständig getrennt voneinander behandelt werden können. Denn es geht eben auch um die Unterstützung innerisraelischer progressiver Kräfte, die sich für eine Friedenslösung und die Rechte von Minderheiten stark machen. Yousef Jabareen, hatte bereits im November 2017 als Leiter einer Delegation der israelischen Joint List-Fraktion in der Knesset die GUE/NGL besucht.
Am darauffolgenden Tag (Donnerstag) folgte eine Aussprache zwischen MdEP und MK im Rahmen einer Sitzung der EP-Delegation für die Beziehungen zu Israel zum Thema „Neue Trends in den EU-Israel Beziehungen: eine israelische Perspektive“. Dabei sprachen auf israelischer Seite MK Nurit Koren, stellv. Sprecherin der Knesset und Vertreterin der regierenden Likud-Partei, MK Yaacov Perry, Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen mit dem EP (Yesh Atid) und MK Ayelet Nahmias-Verbin, Wirtschaftsausschuss (Zionist Camp). Martina Michels begrüßte den konstruktiven und kritischen Austausch mit den Parlamentariern der Knesset. Durchaus kontrovers diskutiert wurden unter anderen Fragen zur Zweistaatenlösung, die US-Politik im Nahen Osten, die Flüchtlingsproblematik und bilateraler Handelsbeziehungen. Mehrere Europaabgeordnete baten um Auskunft über Gesetzesvorhaben in Israel, die möglicherweise zur Einschränkung zivilgesellschaftlicher Akteure führen könnten. Trotz einer Reihe von Punkten, an denen keineswegs einhellige Meinungen herrschten, äußerten die Abgeordneten einhellig ihre Sorge über den Stillstand im Friedensprozess und sprachen sich für eine Zweistaatenlösung aus. Betont wurde von israelischer Seite dass das Parlament Gesetzesvorschläge der Regierung stets kritisch prüfe und keineswegs unkritisch abnicke. Große Einigkeit bestand auch darin, dass Antisemitismus gerade auch in der EU noch wirksamer bekämpft werden muss. Als Teil Europaparlament des Engagements der EU-Institutionen gegen Antisemitismus fand in dieser Woche seine jährliche Gedenkveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag statt.