Fragwürdig: „Rundfunkrat“ goes to Europe?
Modernisierte Richtlinie zu Audio-visuelle Mediendiensten im Kulturausschuss abgestimmt
Die Abstimmungsliste, die die Mitglieder des Kulturausschusses am Dienstag, den 25. April abarbeiteten, umfasste über 300 Seiten. Im Rahmen der Digitalen Binnenmarkt-Strategie der Kommission wurde eine Modernisierung der sieben Jahre alten Vorgängerin (2010/13) [1] erarbeitet.
Die ersten Schritte der EU-Gesetzgebung zu audiovisuellen Medien stammen aus den 80 Jahren. Der erste Rechtsakt war die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ (Richtlinie 89/552) von 1989, die erste Regeln der Fernsehübertragung der EU entwickelte.
Neues Verbraucherverhalten, die Entstehung der Plattformen, also viele Änderungen der Medienlandschaft verlangten nach gleichen Regeln für alle Marktteilnehmer, Klärungen beim Jugendschutz, Werberegelungen, die Frage der prominenten Förderung europäischer Werke, sowie die Regelung einer unabhängigen europäischen Medienaufsicht.
1. Allgemeine Regelungen
Die Berichterstatterinnen Kammerevert (S&D) und Verheyen (EVP) hatten viele Verbesserungen am Kommissionsvorschlag vom September 2016 eingebracht, z. B. die Regelung der Werbereduzierung zwischen 20 und 23 Uhr, indem in diesem Zeitraum auch nur die 20% Regel gelten sollte. Weiterhin hatten sie einen guten Katalog zum Jugendschutz entwickelt, gegen Diskriminierung und Hassreden. Die Aufwertung der Bewerbung europäischer Werke durch die Plattformen, indem die von der Kommssion vorgeschlagenene Quote, dass 20 % dieser Produktionen in den Katalogen vorzuhalten und prominent anzubieten sind, setzten die Berichterstatterinnen eingangs auf 30%. Auch dies war gut gemeint, nur lösen Quoten kaum die Qualitätsprobleme europäischer Serien, Filme und anderer Sendeformate und deren reale Probleme, sie über die sprachlichen und Ländergrenzen hinweg gut zu verbreiten.
2. Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden
Problematisch war allerdings von Beginn an der Vorschlag, einen Kontaktausschuss als europäisches Aufsichtsgremium mit politischen Vertreterinnen selbst aus Regierungen anstatt der ERGA (Gruppe unabhängiger Regulierungsstellen, 2014 gegründet, die die Kommission und die Mitgliedstaaten bei der Richtlinienumsetzung unterstützen soll) installieren zu wollen. Dies hat sich nun, auch nach den Kompromissverhandlungen und der Abstimmung durchgesetzt.
3. Gemeinsame Regeln für Fernsehen, VoD und Sharingplattformen
Wer trägt Verantwortung für den Jugendschutz bei Plattformen mit vielen nutzergenerierten Inhalten? Wo ist dasselbe Niveau an gesetzlichen Verpflichtungen für die neuen Medien sinnvoll, wann beginnt Zensur und in welcher Weise können und müssen wir redaktionelle Verantwortung verlangen und wie gelingt es Hassreden und Rassismus aus dem Netz verbannen? Auch wenn es diese und jene Lösungsansätze gibt, bleibt das weite Feld der zukünftigen Medienentwicklung und der Leisten, die am Ende tatsächlich den demokratischen Dialog und ihre Vielfalt fördern, hier weitgehend unbeackert. Dies ist allerdings allen Debattierenden durchaus bewusst und die Konflikte sind allemal wenigstens deutlicher markiert, denn die Marktmacht von youtube und anderen ist offensichtlich, der veränderte Mediengebrauch der jungen Generation unübersehbar und die Stabilität des traditionellen Fernsehens trotzdem vorhanden.
4. Herkunftslandprinzip
Im Rahmen der neuen Medienlandschaft wurde einmal mehr das Herkunftslandprinzip diskutiert und wie global agierende Anbieter in den Regelungsrahmen in den Mitgliedsländern eingebunden werden können. Der Vorschlag der Berichterstatter, bei einem Regelverstoß als Kommission zu reagieren, erfordert allerdings weitere Prüfungen, da dies u. a. auch nicht ausreichend ist, den Zugriff konservativer Regierungen auf die Medienfreiheit zu verhindern.
Stand der Dinge – Zwischenfazit:
Viele, der hier angesprochenen Debatten erscheinen den linken Mitgliedern mit dem derzeitigen Abstimmungsergebnis ungelöst. Die Videosharingsplattformen sind nicht wirklich in eine redaktionelle Verantwortung eingebunden, die Werbung ist unnötig flexibilisiert worden und die ERGA wird nun offenbar vom, von den Berichterstatterinnen vorgeschlagenen Kontaktausschuss als europäisches Aufsichtsgremium ersetzt. Die deutsche Version der Rundfunkräte goes to Europe, könnte man sagen. Wir halten dies nicht für der Weisheit letzter Schluss.
Wir haben dem derzeitigen Stand nicht zugestimmt. Das revidierte Dokument werden wir in Kürze hier hinterlegen.
Jetzt gehen die Verhandlungen mit dem Rat weiter und das Plenum wird sich auch noch positionieren. Die Debatten sind also längst nicht zu Ende.
[1] Directive 2010/13/EU of the European Parliament and of the Council of 10 March 2010 on the coordination of certain provisions laid down by law, regulation or administrative action in Member States concerning the provision of audiovisual media services (Audiovisual Media Services Directive)