Filmfestival: Whistleblowing

Im Brüsseler Kulturzentrum „Botanique“ trafen sich Filmeleute, JournalistInnen, AktivistInnen und Whistleblower

Bis heute sind Whistleblowerinnen und Whistleblower zumeist ohne Schutz und Anerkennung. An diesem Wochenende hatte Martinas Fraktionskollege, der griechischen Journalist und Filmemacher, Stelios Kouloglou, der heute als Abgeordneter für SYRIZA im Europaparlament sitzt, ein zweitägiges Filmfestival, in dessen Mittelpunkt WhistleblowerInnen standen, organisiert. Doch das war längst nicht alles. Die Filmemacher, portraitierte Journalisten und auch Whistleblower kamen zu Wort, darunter Eric Ben Artzi (einst: Deutsche Bank), Raphael Halet (Luxleak) und Rudolf Elmer (einst Julius Bär Bank). 

Im kleinen Kino hinter der Rotunde des Kulturzentrum „Botanique“ am Botanischen Garten in Brüssel wurden non stop Filmdokumentationen und in den Abendstunden Spielfime über Whistleblower gezeigt. Spätestens bei der zweiten Filmproduktion des inzwischen 11 Jahre alten Films des Initiators des Festivals, Stelios Kouloglou, wurde deutlich, das der Schutz von Whistleblowern kein neues Thema ist, sein Titel: „Whistleblowers, the modern heroes“ (2005). Schon zu Zeiten, als Big Data noch nicht vordergründig unser Problem schien, war der widerrechtliche Zugriff der Geheimdienste auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger oder die Planung von militärischen Operationen jenseits vom Verteidigungsdoktrin, gang und gäbe. Anrührend in diesen Tagen – mitten im Film – auch Leonard Cohen zu hören.

Es gab zu allen Zeiten einstige Insider, deren rechtstaatliche Bedenken über Firmenpraktiken oder deren ethischer Kompass sie dazu veranlasste, im wahrsten Sinne des Wortes auszupacken und der Öffentlichkeit Material zu präsentieren, welches scheinbar normale Geschäftspraktiken oder Strategien bei der vermeintlichen Erfüllung hoheitlicher Aufgaben als kriminell identifiziert. Zumeist mussten sie sich dabei JournalistInnen und Anwälten anvertrauen, setzten ihre bürgerliche Existenz oder gar ihr Leben auf’s Spiel. Sehr deutlich vermittelten dies die Filmdokumentationen „Citizenfour“, USA, 2014 von Laura Poitras über den Prozeß der Veröffentlichungen des heutigen Überwachungsumfanges der NSA durch Snowden oder auch der Film „Offshore – Elmer and the Swiss Bank secrecy“, Schweiz, 2016. Rudlof Elmer schilderte sowohl im Film als auch anschließend im Gespräch die persönlichen Konsequenzen des Whistleblowing, die bis zum psychischen Zusammenbruch, selbst der nächsten Angehörigen, reichten. 

Dass sich inzwischen vieles getan hätte beim dringend notwendigen Schutz von Whistleblowern wird niemand leichtfertig behaupten. Noch immer schützt eine Veröffentlichung und die Versicherung des brisanten Materials oft am meisten, doch andererseits nimmt auch die Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten zu, die auf Quellenschutz angewiesen sind. Bei Whistleblowern, die Missstände in Unternehmen öffentlich machen, ist die Lage oft noch schwieriger, weil die kriminellen Machenschaften, die sie aufdecken, oft nicht unmittelbar die Allgemeinheit betreffen.

In jedem europäischen Land sind die Regelungen zum Schutz von Whistleblowern oder für den Quellenschutz von Journalistinnen und Journalisten anders. Doch die aufzudeckenden Sachverhalte bei Banken, in internationalen Unternehmen oder Geheimdiensten kennen keine nationalen Grenzen. Schon dies wäre ein handfester Grund, dass es endlich europäische gesetzliche Lösungen für den Schutz von Whistleblowern gäbe und auch internationales Recht diese Menschen besser schützt.

Das Festival hat diese Leerstellen eindrucksvoll belegt.

Am Dienstag, den 15. November, verständigt sich unsere Fraktion in einer Konferenz zu den politischen Konsequenzen und auch Martina wird in einem Fachgespräch, gemeinsam mit dem Europäischen Zentrum für Presse und Medienfreiheit, dieses Thema vor dem Hintergrund der europaweiten Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für JournalistInnen am 29.11.2016 in Brüssel andiskutieren.