EU-Urheberrechtsreform: Thema verfehlt
EU-Kommission will Medienfreiheit im Netz abschaffen
Heute wurden die Urheberrechtsreformen der EU-Kommission vorgestellt. Sie verfehlen die digitale Wirklichkeit und auch das Anliegen, den Flickenteppich aus Ausnahmen und Schranken zu europäisieren. Anliegen von UrheberInnen werden instrumentalisiert, um Rechteverwertern die Profite zu sichern. Die Interessen von Nutzerinnen und Nutzern, einschließlich Bibliotheken, Mediatheken oder Archiven bleiben bei dieser Art politischer Regulierung weitgehend außen vor. Zu den Vorschlägen, die sich von den geleakten Fassungen kaum unterscheiden, erklärt Martina Michels, stellvertretendes Mitglied im Kulturausschuss (CULT):
„Die heute vorgestellten Reformvorschläge der Kommission zum Urheberrecht verweigern sich den Zielen, das Urheberrecht in der digitalen Welt europäisch zu harmonisieren und Ausnahmen für die ’neue‘ Kultur des Teilens, Kommunizierens und Tauschens anzugehen. Es werden weder die NutzerInnenrechte und deren produktive Beiträge beachtet, noch ernsthaft die Einkommen der Kreativen in neuen Vertragsformen und Vergütungskonzepten gesichert. Wenige und reichlich unklare Ausnahmen bei Bildung, Wissenschaft und Kulturerbe, sowie ein sinnvoller Vorschlag zur Nachverhandlung für Kreative, wenn sie einen Hit gelandet haben, wiegen die Unzulänglichkeit der Reformvorschläge nicht auf.
Der Gipfel des politischen Unverstands ist die Europäisierung des in Spanien und Deutschland gescheiterten Leistungsschutzrechts für Presseverleger. Bei gleichzeitiger Kritik wird eine noch schärfere Form des Leistungsschutzrechts vorgeschlagen, die schon bei der Einführung in Deutschland als Todesstoß für BloggerInnen und alternative digitale Informations- und Kommunikationsportale angesehen wurde und nicht nur als ungerecht vereinnahmte ‚google-tax‘.“
Martina Michels argumentiert ergänzend: „Das Verbieten oder sich Vergüten lassen von kurzen Linkinformationen zu Artikeln im Netz in Form von Snippets ist eine absurde Idee der alten, großen Presseverleger, um ihre Marktanteile gegenüber den neuen großen Plattformen – insbesondere google – zu sichern. Dieser Kampf der Giganten würde durch die Fassung im Kommissionsentwurf überdies tendenziell jede Bloggerin, jeden Blogger treffen, die uns auf Informationen und Quellen verweisen.
Die Auseinandersetzung mit google & Co. muss anders aussehen! Steuergesetze sind hilfreich, doch über die Nutzung dieser Einkünfte sollte dann die Gesellschaft und nicht Springer & Co. bestimmen, wie bei anderen Steuern auch. Die Nichtanerkennung des digitalen Suchens als Dienst und Werbung durch die Presseverlage ist ein absurder Versuch, Pfründe zu sichern. Damit werden real weder üppigere Honorare an JournalistInnen gezahlt, noch ist die Einstellung von google news in Spanien ernsthaft als Beitrag zur Medienvielfalt zu werten. Der ganze Ansatz geht in die falsche Richtung und stellt die Funktionsweise der Kommunikation im Internet völlig auf den Kopf.“
Hintergrund:
Das Spektrum der Vorschläge geht über das Urheberrecht hinaus, heute wurden unter anderem weitere Vorschläge zu Breitbandausbau und Roaming vorgestellt.
Die Auswertung des heute veröffentlichten Dokuments finden sie hier hier.