Dieser Sparhaushalt ist Murks

Artikel für „Neues Deutschland“

Die Europawahl ist nun knapp zwei Monate her. Die Abgeordneten haben ihre Büros bezogen, Parlament, Fraktionen und Ausschüsse sind konstituiert. Von Urlaubsvorbereitungen kann im EU-Parlament jedoch auch in der letzten Woche vor der Sommerpause keine Rede sein, vielmehr ist die politische Arbeit in vollem Gange. Unter anderem haben für alle Fachbereiche die Verhandlungen über den Haushalt für 2015 begonnen. Dabei wird einmal mehr deutlich, was die Linksfraktion seit Jahren bemängelt: Mit Sparpolitik lassen sich die schönsten Versprechungen nicht verwirklichen. Schon für dieses Jahr ist zu wenig Geld vorhanden, um alle Rechnungen für laufende EU-Projekte in Mitgliedsstaaten und Regionen zu bezahlen – und das im ersten Jahr des »7-Jahres-Plans«, des so genannten Mehrjährigen Finanzrahmens 2014-2020.

Besonders die Struktur- und Kohäsionsfonds, also »Europa vor Ort«, sind davon betroffen. Zum einen wird den Kommunen und Bundesländern für regionale Förderprogramme ausgegebenes Geld mit Verspätung zurückerstattet, zum anderen fehlt ihnen genau dieses Geld, um es in die Kofinanzierung neuer Programme zu stecken. Hier geht es um die Stärkung regionaler Infrastrukturen, um Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit, um Unterstützung technologischer Entwicklung und Innovation an Hochschulen, um Förderung von Stadtteilzentren und integrierter, ökologischer ländlicher und Stadtentwicklung.

Darüber hinaus ist die pünktliche Finanzierung zum Beispiel von Erasmus+ und Horizon2020 gefährdet. 2015 sollten diese und andere Programme in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Jugend, Sport, Kultur, Medien und Bürgerschaft, einschließlich Städtepartnerschaften, im zweiten Programmjahr sein. Mit unzureichenden Mitteln können sie jedoch entweder gar nicht erst in vollem Umfang in die Gänge kommen oder müssen auf wenige Teilnehmer beschränkt bleiben.

Selbst mit einem Nachtragshaushalt für 2014 wäre es unwahrscheinlich, dass die Finanzausstattung für die kommenden Jahre ausreicht, um die Mindestanforderungen und -ziele der Kohäsionspolitik zu erfüllen, wie sie gerade erst zwischen EU-Parlament und Mitgliedsstaaten nach langen Verhandlungen beschlossen worden sind. Da die EU anders als Staaten keine Kredite aufnehmen darf, würde bei einem So-weiter-Wurschteln einfach ein immer größer werdender Berg an Rechnungen oder nicht begonnenen Programmen vor sich hergeschoben. Neue, wichtige Vorhaben wie die »Jugendgarantie« zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sind nicht nur bloß ein Tropfen auf den heißen Stein, das Geld dafür kommt auch noch aus demselben Topf wie das für andere soziale Programme und fehlt also dort.

Eigentlich ist es offensichtlich, dass der langfristige Sparhaushalt Murks ist und keineswegs den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden kann. Die Mehrheit von ihnen wünscht sich zuerst, dass die EU dort bei der Lösung der Probleme hilft, wo nationalstaatliche Versuche bisher versagt haben. Man möchte meinen, die Staats- und Regierungschefs seien in der Lage, dies einzusehen und umgehend eine Revision der finanziellen Ausstattung der EU-Förderpolitik und der Haushaltsprioritäten einzuleiten. Stattdessen hört man auf den Korridoren der EU-Institutionen, der Rat würde in den kommenden Tagen im Gegenteil weitere Mittelkürzungen für das kommende Jahr einfordern.

Die Zeche zahlen diejenigen, die auf Solidarität angewiesen sind: zum Beispiel die ärmeren Regionen – in den ostdeutschen Bundesländern wie in den südlichen und östlichen EU-Mitgliedsstaaten –, die hoffen, mit Hilfe der EU trotz Krise irgendwann zu den stärkeren aufschließen zu können; Studierende und Auszubildende, die sich keinen Auslandsaufenthalt leisten können, der aber bei der Jobsuche fast schon als Standard erwartet wird; Problemkieze, die um ihre Sozialzentren und Beschäftigungsprojekte bangen.
Die »EU der Zukunft« sieht aus Sicht der Linken in Europa anders aus. Dass der Sparplan 2014-2020 weder finanziell noch inhaltlich geeignet ist, die soziale, demokratische, ökologische und friedliche EU zu schaffen, die wir wollen und auch in unserem Europawahlprogramm beschreiben, war frühzeitig klar. In den kommenden Wochen und Monaten geht es bei den Haushaltsverhandlungen daher darum, als gestärkte Linke zunächst wenigstens den vorhandenen Spielraum zu verteidigen.

Der Artikel erschien am 24. Juli 2014 in der Tageszeitung „Neues Deutschland“.

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