LINKE für Nachtflugverbot: „Die Menschen brauchen die Nacht zur Erholung“

Rede von Sabine Wils im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments

„Vielen Dank,

„Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen, wie die Cholera oder die Pest“ – dies prophezeite der Medizin-Nobelpreisträger Robert Koch vor über 100 Jahren – und jetzt ist es soweit.

Es ist an der Zeit, etwas zu tun, aber ich stelle fest: Der Verordnungsentwurf der Kommission ist nicht geeignet, die Lärmbelastung an Flughäfen der EU zu reduzieren.
Die EU-Betriebsbeschränkungsverordnung ist insbesondere aufgrund der einseitigen Ausrichtung auf wirtschaftliche Belange, allen voran auf die Ausweitung der Kapazitäten an europäischen Flughäfen, abzulehnen.

Die Verbesserung des Lärmschutzes spielt im Verordnungsentwurf bedauerlicherweise nur eine untergeordnete Rolle.

Worum es der EU-Kommission geht, wird deutlich im Erwägungsgrund 9: „Lärmminderungsmaßnahmen sollen ausgesetzt werden können, um unerwünschte Auswirkungen auf Flugsicherheit, die Flughafenkapazität und den Wettbewerb zu vermeiden“.

Laut Art. 2 Abs. 7 bedeutet eine Betriebsbeschränkung „eine Lärmminderungsmaßnahme, die den Zugang oder die Kapazität eines Flughafens einschränkt“ und weiter „sowie partielle Betriebsbeschränkungen, die den Betrieb ziviler Luftfahrtzeuge in bestimmten Zeiträumen einschränken“.

Partielle Betriebsbeschränkungen heißt übersetzt Nachtflugverbote. Die Kommission will das Recht haben, sie auszusetzen, wenn ein Mitgliedsland das verlangt, aber sie kann auch von sich aus handeln.

Wir haben gerade in den letzten Wochen und Monaten gesehen, dass die Bürgerinnen und Bürger, die unter Flugrouten wohnen, nicht länger bereit sind, Fluglärm geduldig zu ertragen. Sie protestieren und prozessieren.
 
Am neuen Flughafen in Berlin-Brandenburg und in Frankfurt/Main wurde nicht von den Behörden ein Nachtflugverbot beantragt, sondern nachträglich durch Gerichte angeordnet. Nur durch Prozesse waren die Menschen in der Lage, ihre Schutzinteressen zumindest teilweise durchzusetzen.

Soll die Kommission nun das Recht haben, diese angeordneten Regelungen aufheben zu dürfen? Ich sage hierzu nein. Das geht zu weit!

Die Verordnung trägt ganz eindeutig die Handschrift der Luftverkehrslobbyisten. Wirtschaftsinteressen scheinen der EU-Kommission weitaus wichtiger zu sein, als die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen – das ist völlig inakzeptabel!

Und nun möchte ich zum vorliegenden Entwurf einer Stellungnahme auf einige Punkte kurz eingehen:

Der Entwurf des Berichterstatters geht in die richtige Richtung, aber nicht weit genug.

Auch ich meine – wie bereits deutlich gemacht – dass sich der Kommissionsvorschlag zu sehr auf Fragen der wirtschaftlichen Kosteneffizienz stützt und ökologische Fragen zu wenig betrachtet.

Ich teile die Ansicht des Berichterstatters, dass es nicht angemessen ist, den Rechtsrahmen einer Richtlinie in eine Verordnung zu ändern, wie von der Kommission vorgeschlagen.

Allerdings bewerte ich den Vorschlag einer möglichen Einrichtung von „Nacht-Terminals“ mit mindestens einer Start- und Landebahn, die den Flugverkehr während der Nacht abfertigen, als sogenannte Lärmminderungsmaßnahme äußerst kritisch.

„Nacht-Terminals“ sind in keinster Weise ein Beitrag zur Lärmminderung oder Reduzierung der Gesundheitsbelastung der Bürgerinnen und Bürger. Sie öffnen vielmehr Tür und Tor für weitere negative Belastungen der Menschen.
Wir brauchen stattdessen mehr und bessere Bahnverbindungen. Ein Umsteuern auf Wertschöpfungsketten mit kurzen Wegen ist unbedingt nötig – denn der wachsende Transport von Waren per Luftfracht ist weder ökologisch noch sozial.

Darüber hinaus ist ein Ansatz auf Basis der EU-Umgebungslärm-Richtlinie wichtig. Der Schutz aller Anwohnerinnen und Anwohner an europäischen Flughäfen ist eindeutig festzuschreiben: mit Grenzwerten und Kernruhezeiten, Schutz der Nachtruhe sowie der Verpflichtung, eine Lärmminderungsplanung im Sinne der Menschen und nicht der Profite, an allen Flughäfen einzuführen.

„Die Menschen brauchen die Nacht zur Erholung“ – das ist die Antwort meiner Fraktion auf die Parole der Fluglobby „Die Fracht braucht die Nacht“.