„Jede Form von Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung ablehnen und dagegen kämpfen“

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, ich freue mich, Euch heute hier zu der Konferenz „Willkommen zu Hause – Die Situation der Roma in der Europäischen Union“ begrüßen zu dürfen.  

Diese Konferenz ist von der Linken im Europaparlament, der Linken im Bundestag, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus organisiert worden.   Ganz besonders begrüße ich Romani ROSE, den Vorsitzenden des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Kinga GÖNCZ aus dem Europäischen Parlament, und Detlev BOEING von der Europäischen Kommission.  

Wir möchten heute, am Tag der Menschenrechte, die Lage der Roma in den verschiedenen Mitgliedstaaten diskutieren, die Europäische Roma-Rahmenstrategie, die Situation im Speziellen in Deutschland, und das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, das einigen Roma durch mangelnde praktische Umsetzung verwehrt wird.  

Sinti und Roma bilden in der Europäischen Union mit etwa 10 Millionen Menschen die größte ethnische Minderheit. Und seit ihrer Ankunft in Europa vor ca. 600 Jahren sind Sinti und Roma Objekt politischer Entscheidungen, die in den meisten Fällen gegen sie gerichtet waren und sind. Ebenso wie Juden waren Sinti und Roma im 20. Jahrhundert Ziel von staatlich forcierter Ausgrenzung, rassistischer Verfolgung und fielen systematischem Völkermord durch die Nationalsozialisten zum Opfer. Schätzungsweise 500.000 Sinti und Roma sind ermordet worden. Die späte Anerkennung der historischen Tatsache, dass sich der Holocaust auch gegen Sinti und Roma richtete, verhinderte nicht nur eine rechtzeitige Entschädigung der Opfer. Auch wurde die Aufarbeitung des Geschehenen verzögert und, wohl am schlimmsten, die Betroffenen wurden auch weiterhin traumatisiert.   In den Staaten Mittel- und Osteuropas gehören Roma oft zu den Ärmsten der Armen. Oft haben sie nicht ausreichend Zugang zu Wohnraum, zu Bildung, zum Arbeitsmarkt, zu öffentlichen Dienstleistungen, und oft profilieren sich auch Regierungsvertreter oder lokale Politiker mit einer ablehnenden Haltung gegenüber Roma. In einigen Mitgliedstaaten der EU kann man mit Roma-feindlichen Haltungen Wahlen gewinnen. Aktuell können wir eine Zunahme Roma-feindlicher Gewalt in Bulgarien, Tschechien, Ungarn und Italien beobachten.  

Nach langen Bemühungen von Roma-NGOs und einigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, hat die Europäische Kommission im April dieses Jahres die Europäische Roma-Rahmenstrategie vorgelegt. Darin werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Pläne zur Integration der Roma vorzulegen. Dies ist ein bedeutender Schritt, denn nun ist auf europäischer Ebene anerkannt worden, dass wir nicht zusehen dürfen, wie die größte ethnische Minderheit in der EU in vielen Mitgliedstaaten weiterhin ausgegrenzt und angefeindet wird. Es bleibt abzuwarten, ob diese Strategie ein geeignetes Instrument ist, um die Mitgliedstaaten in die Pflicht zu nehmen.  

Im August 2010 erhielt das Thema „Freizügigkeit innerhalb der EU“, wonach sich jeder EU-Bürger innerhalb der EU frei bewegen und niederlassen kann, traurige Berühmtheit: Die französische Regierung beschloss, hunderte von Roma aus Bulgarien und Rumänien abzuschieben. Und zwar in Form von Sammelabschiebungen, was klar gegen die Charta der Grundrechte verstößt und auch gegen die Bestimmungen der sogenannten Freizügigkeitsrichtlinie. Leider hat die Europäische Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich eingeleitet.    

Auch in Deutschland müssen Roma oft Ausgrenzung und Abwertung erfahren, sie erzielen geringere Bildungsabschlüsse als die sogenannte Mehrheitsbevölkerung, und haben natürlich unter der Traumatisierung durch den Holocaust, die ja zwischen den Generationen weitergegeben wird, zu leiden.  

Alle Bundestagsfraktionen haben 1986 die Notwendigkeit zur Verbesserung der Lebensbedingungen und zur Förderung der Integration der deutschen Sinti und Roma anerkannt. Seitdem gibt es seitens der Bundesländer und Kommunen insbesondere kulturelle, aber auch soziale Projekte. Viele deutsche Sinti und Roma sind gut integriert. Dennoch sind insbesondere im Bildungsbereich und auf Seiten der Behörden bei der Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie noch Anstrengungen nötig.  Es ist nicht zu akzeptieren, dass Deutschland weiterhin Roma in den Kosovo abschiebt, die während des Kosovo-Krieges hier Zuflucht gefunden haben. Im Kosovo drohen ihnen nur bitterste Armut und massive Anfeindung. Es ist absolut unverständlich, warum wir nicht den 10.000 Roma, die von der Abschiebung bedroht sind und die zum sogar zum größten Teil in Deutschland geboren sind, kein Zuhause sein können und wollen. Das dürfen wir nicht hinnehmen. 

Wir müssen deutlich machen, sowohl auf europäischer Ebene als auch hier bei uns in Deutschland, dass wir jede Form von Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung ablehnen und dagegen kämpfen werden.   Das allein reicht jedoch noch nicht: Wir müssen strukturelle Ausgrenzung und die tiefer liegende Roma-Feindlichkeit bekämpfen, gemeinsam und auf allen Ebenen. 

Für die heutige Diskussion wünsche ich uns neue Erkenntnisse und einen spannenden Meinungsaustausch.

Dokumente zur Konferenz: www.dielinke-europa.eu/topic/32.html

Presseerklärung von Dr. Conny Ernst, MdEP: www.dielinke-europa.eu/article/7928.roma-in-der-europaeischen-union-willkommen-zu-hause.html

Dokumentation der Konferenz im „Neuen Deutschland“:

www.neues-deutschland.de/artikel/213092.klassische-apartheidpolitik.html